Veranstaltung: | Landesparteitag S-H Oktober 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge |
Antragsteller*in: | Moritz Bührmann (KV Kiel) |
Status: | Eingereicht |
Antragshistorie: | Version 2 |
D2-NEU: Gerichtsstrukturreform
Antragstext
Als Landesverband von Bündnis90/ Die Grünen stehen wir für einen starken
Justizstandort Schleswig-Holstein. Wir stehen dafür, dass alle Menschen im Land
einen einfachen und effektiven Zugang zu unseren Gerichten haben. Das gelingt am
besten wohnortnah.
Wir begrüßen, dass nicht beim Personal, sondern an den Justizgebäuden gespart
werden soll. Wir sprechen uns dafür aus, dass der im Koalitionsvertrag
vereinbarte Personalaufbau in der Justiz und insbesondere bei den
Staatsanwaltschaften fortgesetzt wird.
Die technischen Möglichkeiten für die Arbeit im Homeoffice sollen weiter
verbessert werden; das gilt vor allem für die Performance der E-Akte und der
Fachanwendungen der Gerichte.
Die angekündigte Schließung und Verlegung der Arbeits- und Sozialgerichte an
einen zentralen Standort sehen wir aber sehr kritisch. Es wurde ein
ausführlicher Beteiligungsprozess gestartet, der noch am Anfang steht. Unser
Anspruch ist, dass wir diesen Austauschprozess kritisch-konstruktiv
mitgestalten.
Wir verkennen nicht, dass die Haushaltslage eine große Herausforderung ist und
auch die Justiz sich an den Einsparungen beteiligen muss. Nachteile bei den
Gerichtsstandorten müssen aber mit Vorteilen für die Rechtssuchenden
ausgeglichen werden. Sie dürfen nicht dazu führen, dass der Zugang zur Justiz,
soweit er nicht digital möglich ist, erschwert wird. Sie müssen außerdem
sozialverträglich für die Justizbeschäftigten sein. Ihre Interessen müssen im
gesamten Verfahren im Fokus sein und Berücksichtigung finden.
Wir hängen nicht an einzelnen Justizstandorten. Vielmehr muss es darum gehen,
Justizstandorte in der Fläche zu erhalten. Dies kann für uns auch bedeuten, dass
einzelne Gerichte zusammengelegt werden. Vor einer möglichen Schließung muss
aber geprüft werden, ob es vor Ort Alternativen mit ähnlichen Einspareffekten
gibt. Gleiches gilt für die angekündigte Strukturreform bei den Amtsgerichten.
Für den Fall, dass Gerichtsstandorte tatsächlich geschlossen werden müssen,
sollen Anreize geschaffen werden, Gerichtstage zum Beispiel in den
Räumlichkeiten der örtlichen Amtsgerichte abzuhalten. Dies stärkt die Präsenz
der Justiz vor Ort und kann auch die längeren Anfahrtswege vom neuen Standort
zum Arbeitsgericht oder Sozialgericht abmildern.
Zudem sind derzeit noch keine Zahlen über das tatsächliche Einsparpotential der
Reform bekannt. Sobald diese vorliegen, wird erneut zu prüfen sein, ob die
Einsparungen den damit verbundenen Rückgang der staatlichen Präsenz vor Ort
tatsächlich rechtfertigen.
Begründung
Am 24.9.2024 teilte die Justizministerin mit, dass seitens der Landesregierung beschlossen worden sei, Sozial- und Arbeitsgerichte auf einen Standort zusammenzuführen, der möglicherweise in Neumünster angesiedelt sein soll. Dafür sollen bestehende Standorte in Kiel, Lübeck, Itzehoe, Flensburg, Elmshorn und Schleswig zusammengelegt werden. Das in Kiel ansässige Finanzgericht soll nach Schleswig umziehen. Diese insgesamt zehn Gerichte betreffenden Maßnahmen sollen aber nicht vor 2027 und erst dann vollzogen werden, wenn ein geeignetes Gebäude vorhanden ist. Auch sollen die Amtsgerichte in den Blick genommen werden, ob Einsparungen möglich sind. Der Ausgang dieses Prozesses sei offen, es soll dabei aber auf jeden Fall mindestens ein Amtsgericht pro Landkreis erhalten bleiben.
Die geplante Reform der Gerichtsstruktur hat Nachteile zur Folge. Ein Rückzug aus der Fläche kann zu längeren Wegen für die Rechtssuchenden und vor allem für die Justizbeschäftigten führen. Gerade in Zeiten, in denen unsere rechtsstaatlichen Institutionen von Rechtsaußen unter enormem Druck steht, kann leicht der falsche Eindruck entstehen, der Rechtsstaat ziehe sich zurück. Zwar kann dies in der Arbeits- und der Sozialgerichtsbarkeit nicht allein durch die Digitalisierung abgefedert werden. Im direkten Gespräch und Austausch können Argumente und Fakten häufig am besten ausgetauscht und die besten Ergebnisse erzielt werden. Aber insbesondere die Gerichtstage in den in der Fläche weiterhin vorhandenen Amtsgerichten sind ein adäquates Mittel, die wegen der Abdeckung der Amtsgerichte sogar zu einer Verbesserung der örtlichen Erreichbarkeit führen könnten
Für die Beschäftigten in der Justiz entstehen große Existenzängste. Teilweise muss ein Umzug erfolgen oder es müssen lange Pendelwege in Kauf genommen werden. Auf Grund der unzuverlässigen Bahn heißt das vor allem, dass vermehrt mit dem Auto gependelt werden muss. Wir wollen dafür eintreten, dass durch den Ausbau neuer Arbeitsformen wie Homeoffice, Co-Working-Räumen und die Ermöglichung von Raumbuchungen in anderen Gerichten diese Nachteile verringert werden.
Die Justiz ist nicht nur eine Dienstleistung, sie ist ein Grundrecht der Menschen im Land. Sie ist Ansprechpartnerin bei empfundenem Unrecht. Sie ist ein Zeichen dafür, dass der Staat vor Ort ist, vermittelt und Rechtsfrieden schafft. Sie ist die dritte Säule und damit einer der Kernbereiche des Staates. Es gibt Bereiche, in denen Kürzungen besonders schmerzhaft sind. Dies gilt im Sozial- wie im Bildungsbereich, aber auch im Naturschutz oder im Bereich der Energiewende. Die Kürzungen dürfen keinesfalls dazu führen, dass der Staat nicht mehr handlungsfähig ist. Die Justiz als dritte Gewalt muss stark sein und insbesondere in herausfordernden Zeiten so aufgestellt sein, dass Recht durchgesetzt wird und der Rechtsstaat funktionsfähig bleibt.
Unterstützer*innen
- Florian Juhl (KV Pinneberg)
- Johannes Gallon (KV Kiel)
- Jonah Schmidtke (KV Kiel)
- Andreas Bartelt (KV Segeberg)
- Finn-Pascal Pridat (LV Grüne Jugend Schleswig-Holstein)
- Marcel Beutel (KV Ostholstein)
- Franz Fischer (KV Kiel)
- Fabian Osbahr (KV Segeberg)
- Nadine Mai (KV Pinneberg)
- Zoé Engel (KV Kiel)
- Carina Hennecke (KV Rendsburg-Eckernförde)
- Kerstin Leidt (KV Schleswig-Flensburg)
- Robert Lemke (KV Lübeck)
- Wiebke Garling-Witt (KV Stormarn)
- Helmut Borchers (KV Stormarn)
- Stefan Lansberg (KV Plön)
- Jörn Peter Böning (KV Plön)
- Ocean Renner (KV Nordfriesland)
- Arne-Matz Ramcke (KV Lübeck)
- Jens Jähne (KV Nordfriesland)
- Birte Duggen (KV Lübeck)
- Helmut Müller-Lornsen (KV Lübeck)
- Achim Jansen (KV Segeberg)
- Susanne Petersen (KV Kiel)
- Sascha Peukert (KV Lübeck)
- Niklas Binder (KV Schleswig-Flensburg)
- Burak Kocaaslan (KV Kiel)
- Oliver Lorentzen (KV Pinneberg)
- Susan de Vrée (KV Segeberg)
- Maik-Torben Kristen (KV Kiel)
- Vincent Schlotfeldt (KV Plön)
- Dieter Dluzewski (KV Dithmarschen)