A10 (Ä1,3-6): Migrationspolitische Schwerpunkte auf Landesebene
Veranstaltung: | Landesparteitag S-H Oktober 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge |
Antragsteller*in: | Aminata Touré (KV Neumünster) |
Status: | Modifiziert |
Antragshistorie: | Version 1(13.09.2024) |
Veranstaltung: | Landesparteitag S-H Oktober 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge |
Antragsteller*in: | Aminata Touré (KV Neumünster) |
Status: | Modifiziert |
Antragshistorie: | Version 1(13.09.2024) Version 2 |
Migrationspolitische Schwerpunkte auf Landesebene
Die migrationspolitische Debatte dominiert seit Wochen und Monaten den
öffentlichen Diskurs. Im Fokus stehen hierbei Fragen wie, wie Deutschland
weniger Menschen aufnehmen kann, Zurückweisungen an Grenzen forciert werden
können und wie die Zahl der Rückführungen erhöht werden kann. Zeitgleich führt
der zunehmende Überbietungswettbewerb von Abschottung und Abgrenzung dazu, dass
viele Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte sich zunehmend die Frage
stellen, ob sie als Teil der Gesellschaft akzeptiert und respektiert werden.
Dass die Zahlen derer, die bei uns Schutz suchen, weiterhin hoch, aber geringer
als im Vorjahr sind, ist ein Spiegel der Weltlage. Weltweit sind laut UNCHR 120
Millionen Menschen auf der Flucht.
Der Ton, in der diese Auseinandersetzung stattfindet, besorgt uns:
Pauschalisierungen, Emotionalisierungen, schrille Parolen, das Missachten von
Grundgesetz und Europäischen Zusammenhalt und die Vermischung von
Extremismusbekämpfung und Asylrechtsverschärfungen.
Als BÜNDNIS/90 DIE GRÜNEN in Schleswig-Holstein sehen wir uns in der
Verantwortung, klar Haltung zu zeigen für eine faire Asyl- und
Migrationspolitik, eine sachliche Debatte zu führen und darzustellen, welche
Aufgaben Regierungen und Parlamente in einer solchen Zeit haben.
Deshalb setzen wir uns als BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN in Schleswig-Holstein für
folgende migrationspolitische Schwerpunkte ein:
1. Ankommen in Würde
Für uns ist das Recht auf Asyl nicht verhandelbar. In der heutigen Zeit scheint
es notwendig sich zu diesem im Grundgesetz verbriefte Recht zu bekennen. Dies
bedeutet für uns, dass das Recht einen Asylantrag zu stellen, Schutz zu erhalten
und unterstützende Leistungen zu erhalten, um würdig leben zu können, eine
Selbstverständlichkeit ist.
Damit das gelingen kann, braucht es ausreichend Plätze von
Erstaufnahmeeinrichtungen sowie kommunaler Unterbringung und eine Teilhabe-
Infrastruktur, die das Erlenen der Sprache, Beratung, Betreuung und medizinische
Versorgung sicherstellt. Es braucht deshalb für Schleswig-Holstein ein
dauerhaftes und atmendes Standortkonzept für Erstaufnahmeeinrichtungen, das sich
an den Zahlen der zu uns kommenden Geflüchteten orientiert und wiederum
berücksichtigt, dass die Kommunen, die Standortgemeinde für
Erstaufnahmeeinrichtungen sind, besondere Unterstützung brauchen, die diese
Aufgabe für Schleswig-Holstein übernehmen. Eine möglichst schnelle
Kreisverteilung für Menschen mit Bleibeperspektive halten wir nach wie vor für
die Grundvoraussetzung für Ankommen und Teilhabe an dieser Gesellschaft.
Für uns ist das Recht auf Asylsind die Rechte von Flüchtlingen nicht verhandelbar. In der heutigen Zeit scheint es notwendig, sich zu diesemdiesen in der Genfer Flüchtlingskonvention, in der Europäischen Menschenrechteskonvention, in der EU-Grundrechtscharta und im Grundgesetz verbriefte Rechtverbrieften Rechte uneingeschränkt zu bekennen. Dies bedeutet für uns, dass das Recht, einen Asylantrag zu stellen, Schutz zu erhalten und unterstützende Leistungen zu erhalten, um würdig leben zu können, nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern auch Ausdruck unseres rechtsstaatlichen Handelns ist.
Damit das gelingen kann, braucht es ausreichend Plätze von Erstaufnahmeeinrichtungen sowie kommunaler Unterbringung und eine Teilhabe-Infrastruktur, die das Erlenen der Sprache, Beratung, Betreuung und medizinische Versorgung sicherstellt.
Es braucht deshalb für Schleswig-Holstein ein dauerhaftes und atmendes Standortkonzept für Erstaufnahmeeinrichtungen, das sich sowohl an den Zahlen der zu uns kommenden Geflüchteten orientiert und wiederumals auch berücksichtigt, dass die Kommunen, in deren Gemeinde sich die Standortgemeinde für Erstaufnahmeeinrichtungen sindbefinden, besondere Unterstützung brauchen, um die diese Aufgabe für Schleswig-Holstein zu übernehmen. Eine möglichst schnelle Kreisverteilung für Menschen mit Bleibeperspektive halten wir nach wie vor für die Grundvoraussetzung für Ankommen und Teilhabe an dieser Gesellschaft.
Außerdem machen wir uns stark für eine unabhängige Asylverfahrensberatung und arbeiten weiterhin daran, dass Flüchtlinge mit einem besonderen Schutzbedürfnis - wie beispielsweise traumatisierte Flüchtlinge oder Flüchtlinge mit Behinderungen - bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen indentifiziert und die erlangten Informationen an die aufnehmenden Kommunen weitergeleitet werden. Auf diese Weise wollen wir gewährleisten, dass einerseits eine lückenlose Betreuung dieser Flüchtlinge stattfinden und andererseits die Kommune sich auf ihre Ankunft vorbereiten kann.
In dieser Hinsicht wollen wir die Sensibilisierung der Mitarbeiter*innen in den Erstaufnahmeeinrichtungen insbesondere im Hinblick auf Psychotrauma, fördern.
2. Zugang zu Arbeit von Beginn an
Wir sind der Überzeugung, dass die beste Form der Integration die ist, die es
Menschen ermöglicht, selbstständig für sich und die eigene Familie zu sorgen und
sich von Sozialleistungen unabhängig zu machen. Viele geflohene Menschen haben
den Wunsch, beruflich schnell Anschluss zu finden, ihre Qualifikation und
Fertigkeiten hier einzubringen und möchten ihre Zeit und Energie in das eigene
Fortkommen stecken.
Wir wollen den Zugang zu Arbeit und Ausbildung so schnell wie möglich
ermöglichen.
Deshalb wollen wir zum einen, dass das Land sein Pilotprojekt zur
Arbeitsvermittlung in den Erstaufnahmeeinrichtungen perspektivisch auf alle
Erstaufnahmeeinrichtungen für alle Menschen mit guter Bleibeperspektive
ausgeweitet. So erhalten alle ab dem ersten Tag die Möglichkeit einer
Arbeitsmarktberatung. Seit April findet das Pilotprojekt in Boostedt und
Rendsburg statt. In 8 Schritten soll es in die Arbeitsvermittlung kommen:
1. Prüfung des Asylstatus und Voraussetzungen für die Arbeitsmarktintegration
(für Menschen, die eine gute Bleibeperspektive haben, zwischen 18-63 Jahre,
Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan)
2. Gesprächsangebot beim Landesamt für Zuwanderung und Flüchtlinge (Fragebogen
zu Grundkompetenzen mit Schwerpunkt auf soziale und pflegerische Berufe)
3. Auswertung durch die Bundesagentur für Arbeit
4. Beratungsgespräch mit dem Jobcenter vor Ort in der Erstaufnahmeeinrichtung
5. Bundesagentur für Arbeit, Jobcenter und Landesamt für Zuwanderung und
Flüchtlinge beraten weiteres verfahren
6. Integrationsorientierte Verteilung in den dauerhaften Wohnort mit
Jobperspektive
7. Übermittlung der Daten an das Jobcenter und Zuwanderungsbehörde
8. Erfolgreiche Vermittlung in den Arbeitsmarkt und Perspektive auf
eigenständiges und selbstbestimmtes Leben
Zum Zweiten braucht es aber noch weitere Erleichterungen, damit die
Arbeitsaufnahme erfolgen kann. Viele Menschen haben ein konkretes
Beschäftigungsangebot und scheitern an den langen behördlichen Wartezeiten. Das
ist sowohl für die geflüchteten Menschen, für die potenziellen Arbeitgeber*innen
und Ausbildungsbetriebe als auch für die Sachbearbeitenden in den Behörden stark
belastend. Hier brauchen wir dringend Verbesserungen und werden uns auf Bundes-
und Landesebene für einen Bürokratieabbau und beschleunigte Verfahren einsetzen
– insbesondere bei der Erteilung der Beschäftigungserlaubnis und der Anerkennung
ausländischer Berufsqualifikationen.
Wie von unserem Vizekanzler Robert Habeck im Kontext der Haushaltsverhandlungen
auf Bundesebene vereinbart, werden wir die Einführung einer Genehmigungsfiktion
unterstützen, so dass die Arbeitsaufnahme als genehmigt erklärt wird, wenn
Zuwanderungsbehörden nicht innerhalb von 14 Tagen widersprechen. Die Entlastung
unserer Kommunen wäre enorm und ein großes Hemmnis im Arbeitsmarktzugang für
viele Menschen beseitigt. Wir machen uns hierfür stark!
3. Freiwillige Ausreise und Rückführungen
Auch wenn auf Bundesebene weitreichende und zu begrüßende Gesetze verabschiedet
wurden, wie zum Beispiel das Chancenaufenthaltsrecht oder das neue
Staatsangehörigkeitsrecht, sodass mehr Menschen die Möglichkeit haben ihren
Aufenthalt hier zu verfestigen und perspektivisch die deutsche
Staatsangehörigkeit zu erhalten, so sind wir uns im Klaren darüber, dass nicht
jeder Mensch, der einen Asylantrag stellt, die Bedingungen dafür erfüllt und
bleiben kann.
Wir sind der Überzeugung, dass die freiwillige Ausreise das beste und humanste
Instrument ist, wenn ein Aufenthalt beendet werden muss. Dafür müssen
ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit Rückkehrprogramme in
umfangreichen Maße stattfinden können.
Wir sind der Überzeugung, dass in der Vergangenheit weitreichende Gesetze zu
Rückführungen auf Bundes- und EU-Ebene beschlossen wurden, die zu harten
Verschärfungen führen werden: Zuletzt das Rückführungsverbesserungsgesetz im
Februar dieses Jahres und gerade auf europäischer Ebene die Reform des
Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Diese Entwicklung war und ist für unsere
Partei sehr schmerzhaft. Weitere Verschärfungen dürfen nicht folgen.
Statt weiterer Gesetzesänderungen, braucht es nun vor allem die Umsetzung
geltenden Rechts und eine kritische Überprüfung dessen.
Bundesweit stellen wir Vollzugsdefizite mit Blick auf Rückführungen fest, trotz
sich ständig ändernder und verschärfender Rechtslage. Deshalb sind wir davon
überzeugt, dass eine Bündelung von bestimmten Personengruppen eine Entlastung
für die kommunalen Behörden bedeuten könnte. Wir wollen deshalb, dass künftig
Rückführungsfälle von ausländischen mehrfach Intensivtäter gebündelt in
Zuständigkeit des Landes übergehen.
Für uns als Grenzregion zu Dänemark sind Grenzkontrollen ein Problem, darauf hat
die Landesregierung in den letzten Jahren immer wieder hingewiesen. Dauerhafte
Grenzkontrollen verhindern illegalen Einreisen nicht –wir brauchen unserer
Sicherheitskräfte an anderer Stelle. Und wir brauchen ein geeintes Europa und
keine Kleinstaaterei.
Alle Neuerungen müssen im Blick haben Verwaltungsaufwand ab- und nicht
aufzubauen.
4. Unterstützung der Kommunen
Jegliche migrationspolitischen Überlegungen können nur gelingen, wenn vor Ort
die Strukturen gut aufgestellt und gut finanziert sind. Integration kann nur
gelingen, wenn die Kommunen bei ihrer Aufgabe der Integration unterstützt
werden. Deshalb sind Bund und Land in der Pflicht diese bei ihrer Aufgabe
finanziell und organisatorisch zu unterstützen. Es ist der richtige Weg, dass es
in Schleswig-Holstein regelmäßige Vereinbarungen mit den Kommunen gibt, bei
denen die Aufgaben gemeinsam definiert werden. Hierbei sind besonders Programme
von sozialem Wohnraum notwendig, um den notwendigen Wohnraum bereitzustellen.
Außerdem braucht es ausreichend Personal an KiTas und Schulen, damit alle Kinder
die gleichen Startbedingungen haben. Genauso wichtig ist eine ausreichende und
flächendeckende medizinische und psychosoziale Versorgung.
Das Land hat für die Bandbreite an Themen eine Integrationsstrategie auf den Weg
gebracht, die fortlaufend aktualisiert und an die Bedarfe angepasst werden muss.
5. Stärkung der Ausländer- und Zuwanderungsbehörden
Trotz der finanziellen Unterstützung für Personal der Ausländer- und
Zuwanderungsbehörden im Rahmen einer Verabredung zwischen Land und Kommunen im
vergangenen Jahr, stellen wir fest, dass diese Maßnahme nicht ausreicht. Sie
sind in kommunaler Verantwortung, aber für alle Maßnahmen rund um Migration
brauchen wir funktionierende und gut ausgestattete Behörden. Der Personalmangel
ist das Nadelöhr und verlangsamt sowohl Prozesse der Integration, aber auch
Rückführungen. Außerdem brauchen wir Personal mit Fachkenntnissen sowie eine
möglichst geringe Fluktuation. Aus diesem Grund setzen wir uns überall und auf
jeder Ebene, in der wir Verantwortung tragen, dafür ein, dass es zu einer
entsprechenden Personaloffensive für die Ausländerbehörden kommt.
6. Gesellschaft der Vielen
Wir verstehen uns als eine vielfältige Partei, die nicht nur den Anspruch
erhebt, Menschen mit Migrationsgeschichte eine Stimme zu geben, sondern auch
Interessen zu vertreten, die diese Lebensrealität abbildet. Menschen mit
Migrationsgeschichte sind keine homogene Masse und haben sehr unterschiedliche
politische Überzeugungen. Aber diejenigen, die mit unseren politischen
Grundsätzen übereinstimmen und diese vor allem auch über viele Jahre mitgeprägt
haben, sollen wissen, dass wir ihre politische Heimat sind. Dafür müssen auch
wir uns selbstkritischen Debatten unterziehen, die nicht außer Acht lassen
dürfen, dass durch politische Entscheidungen, die wir treffen, auch das
Vertrauen in uns an vielen Stellen verloren gegangen ist. Wir stehen weiterhin
für eine vielfältige und diskriminierungsfreie Gesellschaft ein und werden diese
Werte verteidigen und politisch leben.
Begründung erfolgt mündlich
Dieser Antrag wird gemeinschaftlich gestellt von
Aminata Touré, Anke Erdmann, Gazi Freitag und Catharina Nies.