Rechtsstaatlichkeit:
Seit geraumer Zeit wird in der Migrationsdebatte übersehen, dass es sich bei Flüchtlingsrechten nicht nur um eine humanitäre Angelegenheit handelt, sondern diese Rechte in internationalen Vereinbarungen festgeschrieben wurden, die Deutschand unterzeichnet hat. Deutschland hat demnach eine rechtliche Verpflichtung, sich an diese Vereinbarungen zu halten. Das betrifft insbesondere das Recht auf Stellung eines Asylantrages, welches sich aus der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ergibt. Dementsprechend war bereits das Aussetzen dieses Rechts im Frühjahr 2020 durch die griechische Regierung ein Verstoß gegen die GFK mit weitreichenden Folgen für die Geflüchteten. Mit der Aussetzung dieses Rechts konnten sie nämlich ohne die Prüfung von Fluchtgründen zurückgeschoben werden. Damit wurden illegale Pushbacks nunmehr legal. Polen ist dann ab Sommer 2021 noch einen Schritt weiter gegangen und hat die Aussetzung des Rechts auf Stellung eines Asylantrages in seine nationalen Recht aufgenommen. Damit konnten Flüchtinge an der Grenze festgenommen und wegen ihrer illegaler Einreise auf gerichtliche Veranlassung hin über mehrere Monate in geschlossenen Lagern faktisch inhaftiert werden. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gibt nun den Mitgliedsstaaten das Recht, im Falle einer Notlage, das Recht auf Stellung eines Asylverfahrens auszustezen. Was gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstößt, ist nunmehr durch das Europäisches Recht "legalisiert" worden.
Wenn wir also auf die Forderungen in der aktuellen Migrationsdebatte blicken, dann muss uns zumindest klar sein, das auch Deutschland sich nicht mehr an vertragliche Verpflichtungen hält. Damit haben wir ein Problem in der Rechtsstaatlichkeit, denn wir müssen darauf vertrauen können, dass sich der deutsche Staat an Recht und Gesetz hält. Und dazu zählen auch internationale Vereinbarungen wie die Genfer Flüchtlingskonvention. Alles andere ist willkürliches Handeln, was im Endeffekt das Vertrauen in unsere Demokratie nachhaltig schädigt.
Unabhängige Asylverfahrensberatung
Eine vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unabhängige Asylverfahrensberatung ist notwendig, um die Rechte von Flüchtlingen im Rahmen des Asylverfahrens durchzusetzen. Das betrifft insbesondere Flüchtlinge mit einem besonderen Schutzbedürfnis, wie beispielsweise Traumatisierte. Regelmäßig erleben wir in der Betreuung, dass sie ihre Fluchtgründe im Rahmen der Anhörung nicht oder nicht ausreichend vortragen konnten, was dazu führt, dass ihre Asylanträge abgelehnt wurden mit gravierenden Folgen im Hinblick auf ihre Bleiberechtsperspektive, Unterbringung und medizinischer Versorgung.
Dabei spielen bereits die Umstände, in denen die Anhörung stattfindet, eine Rolle. Sofern nicht bekannt ist, dass eine Traumatisierung vorliegt, sind weder Anhörer*innen noch Dolmetscher*innen entsprechend geschult und vorbereitet. Außerdem kann es zu mehrstündigen Wartezeiten beim Bundesamt am Tag der Anhörung kommen, was für die Antragsteller*innen ein erheblicher zusätzlicher Stressfaktor darstellt. Sofern dem Bundesamt jedoch bekannt ist, dass ein Psychotrauma vorliegt, wird darauf geachtet, dass die Antragsteller*innen zu einer bestimmten Uhrzeit geladen werden und die Anhörung dann ohne Wartezeit beginnt. Inhaltlich führen Scham und Unsicherheiten dazu, dass wichtige Details innerhalb der Anhörung nicht vorgetragen werden.
Identifizierung von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen und Sensibilisierung
Im Hinblick auf die Identifizierung von Psychotrauma gibt es gewisse Anzeichen im Verhalten von Geflüchteten, die auf die Vorlage eines Traumas hindeuten. Für geschulte Personen ist es möglich, diese Anzeichen wahrzunehmen und entsprechend zu deuten. Darum ist es möglich, traumatisierte Geflüchtete frühzeitig an eine ihren Bedürfnissen entsprechende medizinische Versorgung anzubinden und die entsprechenden Informationen auch an die aufnehmenden Kommunen weiterzuleiten.