| Veranstaltung: | Landesparteitag S-H Oktober 2024 |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge |
| Antragsteller*in: | Lukas Unger (KV Pinneberg) |
| Status: | Eingereicht (geprüft, unveröffentlicht) |
| Angelegt: | 13.09.2024, 13:30 |
A8: ÖPNV zukunftssicher gestalten – Angebot stärken und Finanzierung sichern
Antragstext
Die Kürzungen im Schienennahverkehr zum Fahrplanwechsel 2025 sind eine
eindeutige Fehlleitung der Mobilitätswende. In Zeiten der Klimakrise und einem
extrem stark emittierenden Verkehrssektor braucht es eine Stärkung des gesamten
ÖPNVs und keinen Abbau bestehender Taktungen.
Mit den Taktungskürzungen in Randzeiten und am Wochenende trifft man viele
Menschen in ihrem direkten Nutzungsverhalten, unter anderem beim Pendeln oder
bei Freizeitaktivitäten. Besonders Menschen ohne PKW sind auf starke
Verbindungen im ÖPNV angewiesen, um auch weite Strecken zuverlässig und in
geringer Zeit zu absolvieren. Die beschlossenen Kürzungen bedeuten für alle
Menschen, aber besonders diese Gruppe eine starke Einschränkung in ihrer
Mobilitätsfreiheit. Somit fordern wir eine schnellstmögliche Rücknahme der
Kürzungen im Schienenverkehr, vordringlich der starken Einkürzungen der S3 und
A1 im Hamburger Rand. Zudem muss in den kommenden Jahren ein konsequenter Ausbau
durch dichtere Taktung und längere Züge der Regionalbahnen insbesondere zu den
Hauptverkehrszeiten die politische Zielsetzung sein.
Weitergehend ist die Finanzierung des ÖPNVs nicht stabil. Dies zeigt sich nicht
nur im Schienenverkehr, auch im weiteren Öffentlichen Nahverkehr, in den Kreisen
und kreisfreien Städten ist die Finanzierungssituation schwierig. Besonders die
starken Preissteigerungen in den letzten Jahren bedingen diese Situation, welche
durch steigende Antriebskosten und Tarifabschlüsse getrieben wurde. Dies
erschwert nicht nur den Ausbau der Leistungen, sondern setzt bereits bei der
Finanzierung des bestehenden Angebots an und stellt die Kreise und Städte vor
herbe Herausforderungen. Für die Finanzierung fehlt es an einer
kontinuierlichen, der Realsituation angepassten Dynamisierung von Land und Bund,
die den externen Kostenanstieg mitberücksichtigt. Wir fordern daher zur
langfristigen Sicherung des ÖPNVs eine Anpassung der Finanzierungsmechanismen
auf Bundes- und Landesebene , welche neben einer kontinuierlichen Dynamisierung
von mind. 2% pro Jahr für einen stetigen Ausbau der Verkehrsleistung, die
Einbeziehung von externen Kostensteigerungen vorsieht und starke externe
Kostensteigerung ausgleicht. Nur so schaffen wir auf Dauer klare
Planungssicherheit für eine nachhaltige Mobilitätspolitik auf Landesebene und im
kommunalen Bereich.
Um den regionalen Schienenverkehr in SH zu entlasten, sollen sich Landes- und
Bundesregierung für eine stärkere Durchbindung der ICEs nach Kiel und Flensburg
einsetzen. So können die Kapazitäten im Regionalverkehr konkret entlastet
werden.
Das Land soll zudem weitere Maßnahmen entwickeln, um die Abnahme des
Deutschlandtickets zu erhöhen, etwa durch Reduzierung für bestimmte
Empfängergruppen wie Familien und Menschen mit geringem Einkommen.
Der Mobilitätssektor steht zudem vor der Herausforderung des Personalmangels.
Bereits jetzt fehlen in weiten Teilen Beschäftigte, die Situation bis 2030 wird
sich weiter verschärfen. Dabei braucht es diese Fachkräfte, um die
Verkehrsleistungen aufrecht zu erhalten und vielzählige Fahrtenausfälle zu
Lasten der Leistungsfähigkeit und Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs zu
vermeiden. Es gilt somit vorausschauend zu handeln und dem Personalmangel
frühzeitig entgegenzutreten. Hierfür braucht es auf allen politischen Ebenen
gute Personalstrategien in den Verkehrsunternehmen, Aufmerksamkeits- und
Einstellungskampagnen, eine niederschwellige Ausbildung und vor allem eine gute,
attraktive und faire Bezahlung. Das Land steht hierbei in der Pflicht, die
Kreise bei Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung in der Mobilitätsbranche zu
unterstützen.
Auf Landesebene müssen Ausbildungskapazitäten für Lokführer*innen in Schleswig-
Holstein ausgeweitet und ein zentraler Standort für die theoretische Ausbildung
aufgebaut werden. Die Landtagsfraktion sollte sich zudem für mehr Sprachkurse
einsetzen, die neben Kindererziehung, Praktika und Arbeit möglich sind und
durchgängig bis zum B2-Niveau (Ausbildungsvoraussetzung) führt. Zudem sollen
Gespräche über einen Wechsel in den Tarif TVN für die eigene Kommunalen
Verkehrsgesellschaft geführt werden.
Begründung
Die Kürzungen im Schienenverkehr zum Fahrplanwechsel 2024 sind ein herber Schlag in der Verkehrswende. Im ganzen Bundesland wird im Regionalverkehr gekürzt, den Kreis Pinneberg trifft es dabei besonders hart bei den Einsparungen bei der AKN und der S3. Zwar betreffen diese grundsätzlich Rand- oder Wochenendzeiten, die jedoch lange erkämpft wurden. Diese Zeiten haben zudem enorme Relevanz, denn neben den Arbeitswegen vieler Pendler:innen treffen diese Zeiten besonders Familien und allgemein Menschen bei Freizeitaktivitäten wie dem Besuchen von Kultur- oder Sportveranstaltungen und somit bei einem essenziellen Bestandteil ihres Lebens. Besonders Menschen ohne PKW, häufig also junge oder ältere Menschen, die sich auf Grund der finanziellen Situation oder auf eigene Entscheidung hin ohne PKW fortbewegen, sind auf den ÖPNV zu allen Zeiten angewiesen, denn nicht ohne Grund stellt der ÖPNV gesetzlich einen essenziellen Bestandteil der Daseinsvorsorge dar. Gerade der Schienenverkehr ermöglicht größere Distanzen in kurzer Zeit. Eine Kürzung bedeutet somit also auch einen direkten Einschnitt in die Mobilitätsfreiheit, denn Wege werden komplizierter, Wartezeiten länger und der ÖPNV allgemein unattraktiver. Dieser Attraktivitätsverlust ist ein fatales Signal, denn es schreckt Menschen von der Nutzung des ÖPNVs ab, baut langzeitig aufgebautes Vertrauen in die öffentlichen Verkehrsmittel ab und wirkt entgegen zum eigentlich benötigten Umdenken im Verkehrssektor, um Emissionen zu senken und die Klimaziele einhalten zu können.
Die Finanzierungsschwierigkeiten beziehen sich dabei nicht nur auf das Land, auch die Kreise und kreisfreien Städte kriegen durch den hohen Kostenanstieg und den vergleichsweise gering angewachsenen Mitteln Probleme in der Finanzierung der Verkehre vor Ort. Neben gestiegenen Kosten im Antrieb von Fahrzeugen wirken sich auch die Tariferhöhungen auf die finanzielle Lage aus. Diese externen Faktoren werden in den Finanzierungsmechanismen nicht mit einbezogen. Zwar sind einmalige Erhöhungen wirkungsvoll und können zeitnah Probleme lösen, sie wirken aber nicht kontinuierlich und bieten keine sichere und standfeste Finanzierung. Die stetige Dynamisierung von Bundes- und Landesmitteln von 1,8 % [1,2] ist dabei meist nicht ausreichend und wirkt vor allem nicht auf die Zielsetzung des Ausbaus der Verkehrsleistungen ein. Dies muss jedoch unser Ziel sein, um den ÖPNV zukunftsgerichtet zu entwickeln und möglichst vielen Menschen ein gutes, attraktives Mobilitätsangebot zu schaffen. Dafür bedarf es neben einem standardmäßigen Anstiegs Faktoren zur Einbeziehung von externen Kostensteigerungen, um einen Ausbau langfristig zu sichern.
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen warnt zudem vor einem massiven Fachkräftemangel, welcher bereits jetzt erste Ausprägungen zeigt und sich bis 2030 massiv verstärken wird. So Bedarf es in diesem Zeitraum nach der Aussage des Verbands bis zu 110.000 neue Fachkräfte [3]. Dies muss in der Verkehrsplanung berücksichtigt werden, um rechtzeitig das benötigte Personal zu gewinnen. Dafür müssen möglichst viele Maßnahmen rechtzeitig ergriffen werden, um die Arbeitskräfte mit Vorlauf zu gewinnen. Angepasste Arbeits- und Stundenkonzepte können dabei helfen, bspw. eine zunächst kontraintuitiv wirkende Stundenreduzierung, die jedoch die Jobattraktivität steigern kann. Auch eine Anpassung von Arbeitszeiten, die aktuell durch die Hauptverkehrszeiten geprägt sind, kann der Attraktivität dienen und den Job besser in die Lebensstrukturen der Menschen einzugliedern. Zur Neugewinnung Bedarf es eines guten Marketings, der die Jobmöglichkeiten aufzeigt und gleichzeitig die Bedeutung und Relevanz, sowie die Attraktivität der Arbeitgebenden spiegelt. Zudem haben die Forderungen nach Tariferhöhungen gezeigt, dass die Bezahlungen im ÖPNV-Sektor nicht ausreichend sind. Um langfristig einen vitalen Personalbestand zu haben ist eine adäquate Bezahlung eminent wichtig. Auch eine Anpassung von Einstellungshürden ist ein möglicher Lösungsansatz, da beispielsweise ausgeprägte Sprachkenntnisse nur bedingte Relevanz haben, jedoch bisher größtenteils gefordert werden. In Gesprächen mit den Verkehrsunternehmen müssen die bestehenden Anforderung auf den Prüfstand gestellt werden und wenn möglich gesenkt werden, ohne dabei die Qualität der Leistung zu beeinträchtigen.
Antragssteller*innen:
Lukas Unger (KV Pinneberg)
Nadine Mai (KV Pinneberg)
Quellen:
[1] RegG: https://www.gesetze-im-internet.de/regg/BJNR239500993.html
[2] ÖPNVFV SH: https://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/bssh/document/jlr-ÖPNVFVSHrahmen
[3] VDV, Personal- und Fachkräftebedarf im ÖPNV: https://www.vdv.de/personal-und-fachkraeftebedarf-im-oepnv.aspx
Unterstützer*innen
- Mathias Schmitz (KV Pinneberg)
- Andrea Eva Dreffein-Hahn (KV Pinneberg)
- Ocean Renner (KV Nordfriesland)
- Frank Wegener (KV Pinneberg)
- Katrin Stange (KV Pinneberg)
- Florian Juhl (KV Pinneberg)
- Michael Brandtner (KV Kiel)
- Gerd Weichelt (KV Dithmarschen)
- Susanne Hilbrecht (KV Dithmarschen)
- Rolf Bünte (KV Nordfriesland)
- Ann Christin Hahn (KV Pinneberg)
- Alexandra Königshausen (KV Flensburg)
- Hans vom Schloß (KV Pinneberg)
- Christof Martin (KV Rendsburg-Eckernförde)
- Kirsten Schaltenberg (KV Schleswig-Flensburg)
- Achim Jansen (KV Segeberg)
- Wiebke Garling-Witt (KV Stormarn)
- Britta Klingspor (KV Ostholstein)
- Sabine Loof (KV Pinneberg)
- Oliver Lorentzen (KV Pinneberg)
- Maik-Torben Kristen (KV Kiel)
- Stefan Lansberg (KV Plön)
Änderungsanträge
- A8-Ä1 (Christof Martin (KV Rendsburg-Eckernförde), Modifiziert übernommen)
- A8-Ä2 (Nadine Mai (KV Pinneberg), Modifiziert übernommen)
- A8-Ä3 (Nelly Waldeck (KV Kiel), Übernahme)
- A8-Ä4 (Nelly Waldeck (KV Kiel), Übernahme)
- A8-Ä5 (Nelly Waldeck (KV Kiel), Übernahme)
- A8-Ä6 (Nelly Waldeck (KV Kiel), Übernahme)
- A8-Ä7 (Nelly Waldeck (KV Kiel), Übernahme)
- A8-Ä8 (Nelly Waldeck (KV Kiel), Übernahme)