Veranstaltung: | Landesparteitag S-H Oktober 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge |
Antragsteller*in: | Ocean Renner (KV Nordfriesland) |
Status: | Eingereicht |
Antragshistorie: | Version 3 |
A17 (Ä1,2): Echte Lösungen gegen Extremismus in der Innen- und Bildungspolitik durchsetzen statt Populismus und Diskriminierung
Antragstext
Die Bedrohung für unsere Demokratie und Gesellschaft ist durch jegliche Arten
von Extremismus größer den je: Ob durch die AfD als parlamentarischer Arm des
Rechtsextremismus, islamistische Anschläge oder die Bedrohung durch autoritäre
Regime aus dem Ausland. Alles zeigt, wie ernst die Gefahr ist und dass die
bisherigen Antworten auf diese nicht ausreichend sind. Schließlich bedrohen
Islamismus, Rechtsextremismus und andere extremistische Ideologien Frauen*,
queere Menschen, Minderheiten, Andersdenkende und -gläubige in ihrer Lebensweise
und Freiheit. Wir müssen daher diese aktuellen Entwicklungen in den Blick
nehmen.
Der furchtbare Terroranschlag von Solingen hat uns zutiefst erschüttert. Deshalb
verurteilen wir umso mehr jegliche Versuche, den Anschlag für politische Zwecke
auszunutzen. Es ist fatal, dass sich die politische Diskussion im Bereich
Terrorismusbekämpfung mehr auf rechtspopulistische Scheinargumente und die
Abschiebung von Geflüchteten konzentriert als auf tatsächliche Lösungen. Solche
Debatten werden der Relevanz des Themas nicht gerecht und schaden insbesondere
den Menschen, die bereits jetzt am stärksten marginalisiert sind. Es darf nicht
passieren, dass Menschen aufgrund ihres Glaubens, ihrer Staatsangehörigkeit,
ihres Aussehens oder Geburtsortes unter Generalverdacht gestellt werden. Dies
befeuert rassistische Vorurteile und gefährdet unsere Demokratie und die
Sicherheit vieler unbeteiligter Menschen.
Als Bündnis 90/die GRÜNEN Schleswig-Holstein fordern wir daher nicht nur eine
klare Kante gegen Extremismus zu zeigen, sondern auch endlich Konsequenzen aus
dieser zu ziehen. Wir stehen zu unserer außen- und innenpolitischen Haltung,
Menschenrechte, Frieden und Humanität in den Mittelpunkt zu stellen. Dies
bedeutet auch, international gegen autoritäre Regime zu stehen und Terrorismus
gemeinsam zu bekämpfen. Innerhalb von Schleswig-Holstein und Deutschland gelten
diese Grundsätze nicht nur, sie müssen sich auch in unserer Innenpolitik
widerspiegeln:
1) Viele Menschen fliehen weltweit vor islamistischer Gewalt und Terror. Ein
entschlossener Kampf gegen Islamismus bedeutet, dass Menschen, die vor diesem
fliehen, Schutz bekommen. Vor diesem Hintergrund ist es unverantwortlich, dass
bis jetzt kein bundesweiter Abschiebestopp für Ezid*innen beschlossen wurde,
obwohl der Deutsche Bundestag den Genozid der Terrororganisation „Islamischer
Staat“ an den Ezid*innen bereits offiziell anerkannt hat.
2) Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien lehnen wir strikt ab, genauso wie
Streichungen, Kürzungen und Einschränkungen von Sozialleistungen für Geflüchtete
(bereits jetzt befinden sich die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
unter dem Existenzminimum), das Konzept „sicherer Herkunftsstaaten“, den
Kabinettsbeschluss (vom 26.06.24) zur Verschärfung im Aufenthaltsrecht in der
derzeitigen Form und Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den Grenzen. Das
Asylrecht ist eine unverzichtbare Errungenschaft und eine historische Lehre aus
der Zeit des zweiten Weltkrieges, in der unter anderem jüdische Schutzsuchende
an den Grenzen abgewiesen und später vom NS-Regime ermordet wurden. Eine
Zusammenarbeit der Bundesregierung mit dem Taliban-Regime in Afghanistan, das
Gender-Apartheid betreibt, oder dem diktatorischen Assad-Regime in Syrien würde
eine Stärkung von Diktatur, Antisemitismus und Islamismus bedeuten. Zudem
verbietet es sich, Menschen in Gebiete zu schicken, in denen ihnen Folter und
Tod drohen. Terrorismus wird nicht bekämpft, indem man Menschen, die teilweise
selbst vor Terror und Gewalt fliehen, noch unmenschlicher behandelt. Stattdessen
brauchen wir Solidarität und Zusammenarbeit mit den Menschen, die sich mutig
gegen Diktatur und Terror stellen. Migrantische Initiativen und Stimmen für
Vielfalt und Demokratie, zum Beispiel von geflüchteten Afghan*innen,
Syrer*innen, iranischen Oppositionellen, Kurd*innen, Ezid*innen, und vielen mehr
müssen gestärkt werden.
3) Statt dieser aktuellen Debatte brauchen wir lösungsorientierte Vorschläge.
Wir müssen uns auf eine menschliche Migrations- und Integrationspolitik
fokussieren. Dazu gehören mehr Geld für Integrations- und Sprachkurse, die
Aufhebung von Arbeitsverboten, Abbau von diskriminierenden Strukturen, bessere
personelle und infrastrukturelle Ausstattung der Behörden, psychotherapeutische
Angebote für Menschen mit Traumata und weitere Maßnahmen, um den
Herausforderungen gerecht zu werden.
4) Unsere Demokratie wird täglich durch die vielen Menschen gestärkt, die sich
ehrenamtlich engagieren. Wir brauchen endlich ein starkes
Demokratiefördergesetz, das zivilgesellschaftlichen Initiativen, die sich für
Demokratiebildung und Menschenrechte einsetzen, langfristig Planungssicherheit
bietet. Programme wie „Demokratie leben!“ müssen vonseiten des Bundes, vonseiten
des Landes entsprechend cofinanziert, auskömmlich finanziert und vor Ort
professionell begleitet werden .
5) Kultur verbindet Menschen und stärkt Gesellschaft. Die Förderung von Kultur,
Kunst und Musik, die Juden*Jüdinnen, BIPOC, queeren Menschen, Menschen mit
Behinderung und anderen unterrepräsentierten Gruppen eine Plattform bietet, muss
gesichert und ausgebaut werden.
6) Viele Menschen, die sich terroristischen Gruppierungen anschließen oder
terroristische Gewalttaten begehen, radikalisieren sich in Deutschland.
Radikalisierung findet auch häufig im Internet statt. Deshalb gilt: Die
Bekämpfung von Fake News, Hassrede und Aufstachlungen muss endlich angegangen
werden. Dazu fordern wir, die bestehenden Regeln durchzusetzen, Social-Media-
Konzerne konsequent zur Moderation zu verpflichten und die Sicherheitsbehörden
so in ihrer Ausbildung und Infrastruktur auszustatten, dass sie Straftaten im
Netz erfolgreich aufklären können.
7) Wir fordern den Fokus unserer Politik auf Prävention zu legen, um
reaktionären Denkweisen entgegenzuwirken. Prävention ist hier vielfältig gemeint
und stützt sich auf alle genannten Punkte. Ob durch Bildungsarbeit, Kultur, die
Arbeit der Sicherheitsbehörden oder andere Maßnahmen: Unsere Gesellschaft muss
überhaupt verhindern, dass es zu Gewalt, Hass und Hetze kommt, anstatt sich in
der reinen Reaktion auf diese wiederzufinden.
8) Weiter unterstützten wir ausdrücklich rechtsstaatliche Schritte wie
Vereinsverbote, Befugnisse für den Verfassungsschutz bei der Kontrolle von
extremistischen Organisationen (z. B., um die Finanzierung besser zu erkennen)
oder politische Maßnahmen wie die Verschärfung des Waffenrechtes und der Entzug
von Waffen bzw. die Nicht-Erteilung von Waffenerlaubnissen für Extremist*innen.
Entscheidend bleibt, dass diese Maßnahmen im Sinne der Gewaltenteilung
kontrolliert werden. Auch Schritte die sich auf den Verfassungsschutz und andere
Institutionen beziehen, müssen immer mit einer kritischen Betrachtung dieser
einhergehen. Dadurch verhindern wir einen Missbrauch dieser Möglichkeiten und
arbeiten weiterhin an Reformen und Verbesserungen für diese.
9) Extremistische Angriffe wie dieser in Solingen sind auch ein Ausdruck
patriarchaler Strukturen, die sich nach wie vor durch unsere Gesellschaft
ziehen. Gewalt von Männern muss als sicherheitspolitisches Thema in den
Mittelpunkt gerückt werden. Es braucht flächendeckende Jungenarbeit, die
zielgerichtet Geschlechterstereotype problematisiert und Rollenbilder aktiv
aufbricht und Gewaltspräventionsangebote, die bei Verhaltensauffälligkeiten
einschreiten können, bevor es zu einer schweren Straftat kommt. Von
patriarchaler Gewalt Betroffene müssen flächendeckenden Schutz und Beratung
erhalten.
Antrag in leichter oder einfacher Sprache
Extremistische Ansichten gefährden Menschen-Rechte und unser Zusammen-Leben.
Deshalb müssen wir extremistische Ansichten bekämpfen.
Wir finden es nicht gut, wie viele Menschen in der Politik momentan auf diese
Gefahr antworten. Viele Mitmenschen werden dabei diskriminiert.
Wir wollen, dass Menschen, die vor Extremismus fliehen, Schutz bekommen. Wir
wollen, dass Schutzsuchende selbst-bestimmt leben können und gut versorgt
werden.
Wir wollen, dass die Demokratie-Förderung, politische Bildung und Kultur mehr
Geld und Unterstützung bekommen.
Wir wollen verhindern, dass Menschen zu Extremist*innen werden und Hass
verbreitet wird. Wir wollen Extremismus rechtstaatlich bekämpfen.
Wir wollen Gewalt von Männern als wichtiges Thema anschauen.
Begründung
An diesem Antrag haben folgende Personen mitgewirkt:
Marcel Beutel
Ocean Renner
Tarik Pahlenkemper
Lone Prolingheuer
Dieser Antrag wurde auf der letzten Landesmitgliederversammelung der Grünen Jugend Schleswig-Holstein beschlossen, welche sich damit der Unterstützung für diesen anschließt.
Unterstützer*innen
- Lone Prolingheuer (KV Kiel)
- Marcel Beutel (KV Ostholstein)
- Nils Tellert (LV Grüne Jugend Schleswig-Holstein)
- Anja Koberg (KV Nordfriesland)
- Lukas Peschke (KV Kiel)
- Annette Schubart (KV Ostholstein)
- Tarik Pahlenkemper (KV Schleswig-Flensburg)
- Niklas Binder (KV Schleswig-Flensburg)
- Axel Rasmussen (KV Nordfriesland)
- Ullrich Günther (KV Ostholstein)
- Luca Moriconi (KV Pinneberg)
- Kevin Thomsen (KV Nordfriesland)
- Marilla Meier (KV Lübeck)
- Reimo Schaaf (KV Ostholstein)
- Finn Brüggemann (KV Lübeck)
- Christoph Fischer (KV Segeberg)
- Denise Kreissl (KV Segeberg)
- Maxim Shaporin (LV Grüne Jugend Schleswig-Holstein)
- Lorenz Mayer (KV Segeberg)
- Reinhard Junge (KV Plön)
- Sören Petersen (KV Lübeck)
- Jacqueline Kühl (LV Grüne Jugend Schleswig-Holstein)
- Said Ettejjari (KV Segeberg)
- Fabian Osbahr (KV Segeberg)
- Julia Grüner (KV Kiel)
- Dieter Dluzewski (KV Dithmarschen)