Veranstaltung: | Landesparteitag S-H Oktober 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge |
Antragsteller*in: | Lukas Unger (KV Pinneberg) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 10.10.2024, 21:21 |
A8 (Ä1-8): ÖPNV zukunftssicher gestalten – Angebot stärken und Finanzierung sichern
Antragstext
Die Kürzungen im Schienennahverkehr zum Fahrplanwechsel 2025 sind eine
eindeutige Fehlleitung der Mobilitätswende. In Zeiten der Klimakrise und einem
extrem stark emittierenden Verkehrssektor braucht es eine Stärkung des gesamten
ÖPNVs und keinen Abbau bestehender Taktungen. Durch die angelegten Rücklagen in
dem Sondervermögen Moin.Sh sowie Umschichtungen im Landeshaushalt konnte ein
großer Teil der Kostensteigerungen abgefedert werden und die Abbestellungen von
erst anvisierten 70Mio€ auf nur 4,6Mio€ reduziert werden. Und trotzdem:
Mit den Taktungskürzungen in Randzeiten und am Wochenende trifft man viele
Menschen in ihrem direkten Nutzungsverhalten, unter anderem beim Pendeln oder
bei Freizeitaktivitäten. Besonders Menschen ohne PKW sind auf starke
Verbindungen im ÖPNV angewiesen, um auch weite Strecken zuverlässig und in
geringer Zeit zu absolvieren. Die beschlossenen Kürzungen bedeuten für alle
Menschen, aber besonders diese Gruppe eine starke Einschränkung in ihrer
Mobilitätsfreiheit. Somit fordern wir eine schnellstmögliche Rücknahme der
Kürzungen im Schienenverkehr. Unser politisches Ziel bleibt der konsequente
Ausbau des ÖPNV Angebots.
Weitergehend ist die Finanzierung des ÖPNVs weder stabil noch auskömmlich. Dies
zeigt sich nicht nur im Schienenverkehr, auch im weiteren Öffentlichen
Nahverkehr, in den Kreisen und kreisfreien Städten ist die
Finanzierungssituation ebenso schwierig. Besonders die starken Preissteigerungen
in den letzten Jahren bedingen diese Situation, welche unter Anderem durch
steigende Diesel- und Benzinkosten, Materialkostensteigerungen und
Tarifabschlüsse getrieben wurde. Dies erschwert nicht nur den Ausbau der
Leistungen, sondern setzt bereits bei der Finanzierung des bestehenden Angebots
an und stellt die Kreise und Städte vor herbe Herausforderungen.
Wir Grünen setzen uns daher auf allen Ebenen dafür ein, dass der öffentliche
Verkehr finanziell zukunftsfest aufgestellt wird. Dafür braucht es sowohl eine
Umschichtung bestehender Steuergelder als auch die Schaffung neuer
Möglichkeiten, mehrjährig und kreditfinanziert in unsere Infrastruktur zu
investieren. Wir setzen uns auf Bundesebene dafür ein, dass die Mittel für
Fernstraßenneubau in Schieneninvestitionen umgewidmet werden. Fossile
Subventionen wie das Dienstwagenprivileg für Verbrennerautos und die steuerliche
Begünstigung von Dieselkraftstoffen sollen abgeschafft werden und die
freiwerdenden Steuereinnahmen in eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel und
die Ausfinanzierung des Deutschlandtickets sowie zur Schaffung neuer
zielgruppenorientierten Angebote wie einem bundesweiten Bildungs- und
Sozialticket investiert werden.
Auf Landesebene wollen wir durch die Einführung einer LKW Maut auf Landesstraßen
zusätzliche Einnahmen generieren, die der Finanzierung des öffentlichen Verkehrs
zugute kommen sollen. Zudem wollen wir Einnahmemöglichkeiten für Kreise und
kreisfreie Städte schaffen, um den öffentlichen Verkehr besser ausfinanzieren zu
können, beispielsweise eine KfZ Abgabe oder eine ÖPNV Abgabe für alle Menschen.
Außerdem setzen wir uns für eine stärkere Schwerpunktsetzung der ÖPNV
Finanzierung innerhalb des schleswig-holsteinischen Landeshaushalts ein. ÖPNV
ist sowohl effektiver Klimaschutz als auch Teil der Daseinsvorsorge und muss als
solcher priorisiert werden.
Für eine nachhaltige Finanzierung der Investitionen in unseren öffentlichen
Verkehr setzen wir uns für die Schaffung einer Infrastrukturgesellschaft ein,
die große Investitionen mehrjährig finanziert und so nicht an die enge Struktur
eines Haushalts gekoppelt ist. Wir setzen uns im Bund dafür ein,
Schieneninfrastruktur auf der vor Allem Regionalverkehr verkehrt in das Eigentum
des Landes zu überführen und mittels der Infrastrukturgesellschaft zu verwalten
und auszubauen.
Die daraus entstehenden zusätzlichen Mitteln wollen wir für eine
kontinuierliche, der Realsituation angepasste Dynamisierung von Land und Bund,
die den externen Kostenanstieg mitberücksichtigt, einsetzen. Wir fordern daher
zur langfristigen Sicherung des ÖPNVs eine Anpassung der
Finanzierungsmechanismen auf Bundes- und Landesebene , welche neben einer
kontinuierlichen Dynamisierung für einen stetigen Ausbau der Verkehrsleistung,
die Einbeziehung von externen Kostensteigerungen vorsieht und starke externe
Kostensteigerung ausgleicht. Nur so schaffen wir auf Dauer klare
Planungssicherheit für eine nachhaltige Mobilitätspolitik auf Landesebene und im
kommunalen Bereich.
Um den regionalen Schienenverkehr in SH zu entlasten, sollen sich Landes- und
Bundesregierung für eine stärkere Durchbindung des Fernverkehrs nach Schleswig-
Holstein und weiterführend nach Dänemark einsetzen. Auch nach Fertigstellung der
Fehmarnbeltquerung müssen Fernverkehrsverbindungen über Flensburg nach Dänemark
erhalten werden. So können die Kapazitäten im Regionalverkehr konkret entlastet
werden.
Wir kritisieren die Entscheidung, den Ausbau zurzweigleisigen Bahnstrecke nach
Sylt zu pausieren. Dies benachteiligt den ohnehin bereits stark vernachlässigten
Norden weiter. Pendler*innen, Wirtschaft und Tourismus sind auf eine
zuverlässige und leistungsfähige Zugverbindung angwiesen. Daher fordern wir die
Landesregierung und die Landtagsfraktion auf, sich für eine Aufrechterhaltung
der Planungen der Trasse einzusetzen.
Wir setzen uns fürweitere Maßnahmen ein, um die Abnahme des Deutschlandtickets
zu erhöhen. Unser Ziel ist dafür, dass jede*r Arbeitnehmer*in ein Recht auf ein
Jobticket erhält. Außerdem wollen wir das Deutschlandticket deutschlandweit
weiterentwickeln und durch zielgruppenorientierte Angebote wie Sozialtickets
oder Kindermitnahmemöglichkeiten sozial gerechter gestalten.
Durch die bundesweite Erhöhung des Ticketpreises auf 58 Euro besteht die Gefahr,
dass das gerade erst eingeführte Bildungsticket in Schleswig-Holstein nicht
verlässlich auf dem vorgesehenen Preis von 29 Euro weitergeführt wird. Die
Landtagsfraktion möge sich daher für eine Absicherung des Preises von 29 Euro ab
2025 und eine Einigung mit den Kommunalen Spitzenverbänden einsetzen, sodass
Kommunen und Land gemeinsam die Fortführung sicherstellen.
Weiterhin soll darauf hingewirkt werden, dass sich die Verbindungen des ÖPNVs am
tatsächlichen Bedarf und nicht an Zuständigkeitsgrenzen orientieren. Anzustreben
sind möglichst viele durchgehende Busverbindungen aus den ländlichen Regionen in
die zentralen Orte. Besonders Verbindungen aus den Flächenkreisen in die
kreisfreien Städte müssen im Angebot gestärkt werden.
Der Mobilitätssektor steht zudem vor der Herausforderung des Personalmangels.
Bereits jetzt fehlen in weiten Teilen Beschäftigte, die Situation bis 2030 wird
sich weiter verschärfen. Dabei braucht es diese Fachkräfte, um die
Verkehrsleistungen aufrecht zu erhalten und vielzählige Fahrtenausfälle zu
Lasten der Leistungsfähigkeit und Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs zu
vermeiden. Es gilt somit vorausschauend zu handeln und dem Personalmangel
frühzeitig entgegenzutreten. Hierfür braucht es auf allen politischen Ebenen
gute Personalstrategien in den Verkehrsunternehmen, Aufmerksamkeits- und
Einstellungskampagnen, eine niederschwellige Ausbildung und vor allem eine gute,
attraktive und faire Bezahlung. Das Land steht hierbei in der Pflicht, die
Kreise bei Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung in der Mobilitätsbranche zu
unterstützen.
Es braucht ausreichende Ausbildungskapazitäten für Lokführer*innen in Schleswig-
Holstein. Deswegen ist es wichtig, dass das Land inzwischen selbst ausbildet, um
Verkehrsunternehmen zu Beginn der Streckenübernahme einen reibungslosen Start zu
erleichtern und dass bei neuen Ausschreibungen sichergestellt wird, dass
Verkehrsunternehmen über den Bedarf und über die gesamte Vertragslaufzeit
ausbilden. Wir wollen Möglichkeiten finden, den schulischen Teil der
Berufsausbildung auch in Schleswig-Holstein anbieten zu können. Die
Landtagsfraktion sollte sich zudem für mehr Sprachkurse einsetzen, die neben
Kindererziehung, Praktika und Arbeit möglich sind und durchgängig bis zum B2-
Niveau (Ausbildungsvoraussetzung) führt. Perspektivisch sollte aber auch eine
Absenkung der sprachlichen Barrieren für Busfahrer*innen diskutiert werden.
Zudem sollen auf Kreisebene Gespräche über einen Wechsel in den Tarif TVN für
die eigenen Kommunalen Verkehrsgesellschaften geführt werden.
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Begründung
Die Kürzungen im Schienenverkehr zum Fahrplanwechsel 2024 sind ein herber Schlag in der Verkehrswende. Im ganzen Bundesland wird im Regionalverkehr gekürzt, den Kreis Pinneberg trifft es dabei besonders hart bei den Einsparungen bei der AKN und der S3. Zwar betreffen diese grundsätzlich Rand- oder Wochenendzeiten, die jedoch lange erkämpft wurden. Diese Zeiten haben zudem enorme Relevanz, denn neben den Arbeitswegen vieler Pendler:innen treffen diese Zeiten besonders Familien und allgemein Menschen bei Freizeitaktivitäten wie dem Besuchen von Kultur- oder Sportveranstaltungen und somit bei einem essenziellen Bestandteil ihres Lebens. Besonders Menschen ohne PKW, häufig also junge oder ältere Menschen, die sich auf Grund der finanziellen Situation oder auf eigene Entscheidung hin ohne PKW fortbewegen, sind auf den ÖPNV zu allen Zeiten angewiesen, denn nicht ohne Grund stellt der ÖPNV gesetzlich einen essenziellen Bestandteil der Daseinsvorsorge dar. Gerade der Schienenverkehr ermöglicht größere Distanzen in kurzer Zeit. Eine Kürzung bedeutet somit also auch einen direkten Einschnitt in die Mobilitätsfreiheit, denn Wege werden komplizierter, Wartezeiten länger und der ÖPNV allgemein unattraktiver. Dieser Attraktivitätsverlust ist ein fatales Signal, denn es schreckt Menschen von der Nutzung des ÖPNVs ab, baut langzeitig aufgebautes Vertrauen in die öffentlichen Verkehrsmittel ab und wirkt entgegen zum eigentlich benötigten Umdenken im Verkehrssektor, um Emissionen zu senken und die Klimaziele einhalten zu können.
Die Finanzierungsschwierigkeiten beziehen sich dabei nicht nur auf das Land, auch die Kreise und kreisfreien Städte kriegen durch den hohen Kostenanstieg und den vergleichsweise gering angewachsenen Mitteln Probleme in der Finanzierung der Verkehre vor Ort. Neben gestiegenen Kosten im Antrieb von Fahrzeugen wirken sich auch die Tariferhöhungen auf die finanzielle Lage aus. Diese externen Faktoren werden in den Finanzierungsmechanismen nicht mit einbezogen. Zwar sind einmalige Erhöhungen wirkungsvoll und können zeitnah Probleme lösen, sie wirken aber nicht kontinuierlich und bieten keine sichere und standfeste Finanzierung. Die stetige Dynamisierung von Bundes- und Landesmitteln von 1,8 % [1,2] ist dabei meist nicht ausreichend und wirkt vor allem nicht auf die Zielsetzung des Ausbaus der Verkehrsleistungen ein. Dies muss jedoch unser Ziel sein, um den ÖPNV zukunftsgerichtet zu entwickeln und möglichst vielen Menschen ein gutes, attraktives Mobilitätsangebot zu schaffen. Dafür bedarf es neben einem standardmäßigen Anstiegs Faktoren zur Einbeziehung von externen Kostensteigerungen, um einen Ausbau langfristig zu sichern.
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen warnt zudem vor einem massiven Fachkräftemangel, welcher bereits jetzt erste Ausprägungen zeigt und sich bis 2030 massiv verstärken wird. So Bedarf es in diesem Zeitraum nach der Aussage des Verbands bis zu 110.000 neue Fachkräfte [3]. Dies muss in der Verkehrsplanung berücksichtigt werden, um rechtzeitig das benötigte Personal zu gewinnen. Dafür müssen möglichst viele Maßnahmen rechtzeitig ergriffen werden, um die Arbeitskräfte mit Vorlauf zu gewinnen. Angepasste Arbeits- und Stundenkonzepte können dabei helfen, bspw. eine zunächst kontraintuitiv wirkende Stundenreduzierung, die jedoch die Jobattraktivität steigern kann. Auch eine Anpassung von Arbeitszeiten, die aktuell durch die Hauptverkehrszeiten geprägt sind, kann der Attraktivität dienen und den Job besser in die Lebensstrukturen der Menschen einzugliedern. Zur Neugewinnung Bedarf es eines guten Marketings, der die Jobmöglichkeiten aufzeigt und gleichzeitig die Bedeutung und Relevanz, sowie die Attraktivität der Arbeitgebenden spiegelt. Zudem haben die Forderungen nach Tariferhöhungen gezeigt, dass die Bezahlungen im ÖPNV-Sektor nicht ausreichend sind. Um langfristig einen vitalen Personalbestand zu haben ist eine adäquate Bezahlung eminent wichtig. Auch eine Anpassung von Einstellungshürden ist ein möglicher Lösungsansatz, da beispielsweise ausgeprägte Sprachkenntnisse nur bedingte Relevanz haben, jedoch bisher größtenteils gefordert werden. In Gesprächen mit den Verkehrsunternehmen müssen die bestehenden Anforderung auf den Prüfstand gestellt werden und wenn möglich gesenkt werden, ohne dabei die Qualität der Leistung zu beeinträchtigen.
Antragssteller*innen:
Lukas Unger (KV Pinneberg)
Nadine Mai (KV Pinneberg)
Quellen:
[1] RegG: https://www.gesetze-im-internet.de/regg/BJNR239500993.html
[2] ÖPNVFV SH: https://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/bssh/document/jlr-ÖPNVFVSHrahmen
[3] VDV, Personal- und Fachkräftebedarf im ÖPNV: https://www.vdv.de/personal-und-fachkraeftebedarf-im-oepnv.aspx
Unterstützer*innen
- Mathias Schmitz (KV Pinneberg)
- Andrea Eva Dreffein-Hahn (KV Pinneberg)
- Ocean Renner (KV Nordfriesland)
- Frank Wegener (KV Pinneberg)
- Katrin Stange (KV Pinneberg)
- Florian Juhl (KV Pinneberg)
- Michael Brandtner (KV Kiel)
- Gerd Weichelt (KV Dithmarschen)
- Susanne Hilbrecht (KV Dithmarschen)
- Rolf Bünte (KV Nordfriesland)
- Ann Christin Hahn (KV Pinneberg)
- Alexandra Königshausen (KV Flensburg)
- Hans vom Schloß (KV Pinneberg)
- Christof Martin (KV Rendsburg-Eckernförde)
- Kirsten Schaltenberg (KV Schleswig-Flensburg)
- Achim Jansen (KV Segeberg)
- Wiebke Garling-Witt (KV Stormarn)
- Britta Klingspor (KV Ostholstein)
- Sabine Loof (KV Pinneberg)
- Oliver Lorentzen (KV Pinneberg)
- Maik-Torben Kristen (KV Kiel)
- Stefan Lansberg (KV Plön)
- Denise Kreissl (KV Segeberg)
- Jürgen Becker (KV Schleswig-Flensburg)
- Max Hansen (KV Herzogtum Lauenburg)