Antrag: | Grüne Offensive für eine kohärente Klimaschutz- und Biodiversitätspolitik |
---|---|
Antragsteller*in: | Silke Backsen |
Status: | Angenommen |
Verfahrensvorschlag: | Übernahme |
Eingereicht: | 02.10.2024, 14:34 |
A5-Ä3: Grüne Offensive für eine kohärente Klimaschutz- und Biodiversitätspolitik
Antragstext
Von Zeile 18 bis 20:
öffentliche Sicherheit setzen wir uns für die Beschleunigung von GenehmigungsverfahrenVerfahren im Natur- und Artenschutz ein, wie sie auch beim Ausbau von Windenergieanlagen vorgesehen ist. Um wirksamen Artenschutz umzusetzen,
Die Klimakrise und die Biodiversitätskrise sind die zentralen Herausforderungen
unserer Zeit. Angesichts von immer häufiger auftretenden Extremwetterereignissen
wie Starkregen, Dürreereignissen, Stürmen und Überschwemmungen sowie der
Bedrohung ganzer Ökosysteme ist die politische Antwort auf beide Krisen eine
Frage unserer eigenen Sicherheit. Als politische Partei und politisch
Verantwortliche sehen wir uns in der Verpflichtung, die Sicherheit der Menschen,
für die wir Verantwortung tragen, umfassend zu gewährleisten.
Wir konnten dieses Jahr anhand von Überschwemmungen in großen Teilen
Süddeutschlands und zahlreichen Extremwetterereignissen weltweit erneut sehen,
wie präsent und akut die Klimakrise ist. Um der Klimakrise wirksam
entgegenzutreten, brauchen wir nicht nur den klimaneutralen Umbau der
Wirtschaft, Energie-, Wärme- und Verkehrsinfrastruktur, sondern auch Maßnahmen
des natürlichen Klimaschutzes und der Klimaanpassung.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein setzen sich mit folgenden 12-Punkte
Plan für eine echte Offensive für den Natur- und Artenschutz und eine wirksame
Klimaschutzpolitik ein.
1) Aufgrund der enormen Relevanz des Natur- und Artenschutzes für die
öffentliche Sicherheit setzen wir uns für die Beschleunigung von
GenehmigungsverfahrenVerfahren im Natur- und Artenschutz ein, wie sie auch beim Ausbau
von Windenergieanlagen vorgesehen ist. Um wirksamen Artenschutz umzusetzen,
streben wir eine Verbesserung der Ausstattung von zuständigen Behörden sowie der
Datengrundlage an.
1a) Wir wollen, dass die Artenvielfalt als Schutzgut in die Schleswig-
Holsteinische Landesverfassung aufgenommen wird, um dem Schutz der Biodiversität
in den Entscheidungen der Behörden und Gerichte deutlich mehr Gewicht zu geben.
Damit würde der verfassungsrechtliche Schutz auf alle Lebensformen erweitert und
die biologische Vielfalt an sich einschließlich der Vielfalt der Lebensräume
geschützt.
2) Für eine wirksame Klimaschutzpolitik ist es notwendig, dass die erneuerbaren
Energien beschleunigt ausgebaut werden. Wir begrüßen daher, dass dem Ausbau der
Erneuerbaren Energien in §2 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ein
„überragendes öffentliches Interesse“ eingeräumt wurde. Dies wird unter anderem
damit begründet, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien der öffentlichen
Sicherheit dient. Genauso gilt für uns, dass der Erhalt unserer Lebensgrundlagen
im Rahmen der Ausweisung von Gebieten für den Natur- und Artenschutz und des
natürlichen Klimaschutzes eine zentrale Frage der öffentlichen Sicherheit ist.
Deshalb setzen wir Grüne uns für eine Erweiterung des Bundesnaturschutzgesetzes
um eine dem §2 EEG entsprechende Norm ein, mit der dem ökosystembezogenen Natur-
, Arten- und Klimaschutz ebenfalls überragendes öffentliches Interesse
eingeräumt wird.
3) Für wirksamen flächengebundenen Natur- und Artenschutz braucht es ausreichend
naturräumlich wertvolle Flächen, die anderen Nutzungen nicht offenstehen.
Deshalb setzen wir uns für die Einrichtung eines bundes- oder landesweiten Fonds
zum Ankauf und Unterhalt von Flächen für den Natur- und Artenschutz ein, in den
Ausgleichsgelder eingezahlt werden können. Gleichzeitig sollte auch das
Vorkaufsrecht als Möglichkeit des Erwerbs neuer Flächen für den Natur- und
Artenschutz gestärkt werden.
4) Wir setzen uns für eine Neuregelung der Verkehrswegesicherungspflicht für
Natur- und Artenschutzflächen nach dem Vorbild von § 14 Bundeswaldgesetz ein, um
Hürden für kommunale Akteur*innen beim Natur- und Artenschutz abzubauen.
5) Kombinutzungen können den Druck auf die verfügbaren Flächen senken. Die DIN
SPEC für Agrar-PV und das Innovationssegment in den Ausschreibungen für PV-
Freiflächenanlagen außerhalb von Schutzgebieten sind ein erster Schritt in die
richtige Richtung. Wir setzen uns im Bund dafür ein, in einem nächsten Schritt
eine DIN SPEC und ein eigenes Ausschreibungssegment für Biodiv-PV-Anlagen in den
Beschleunigungsgebieten zu definieren. Dies kann unterschiedliche Nutzungsformen
beinhalten: z.B. Biodiv und extensive Agri-PV, eine umfassende
Lebensraumgestaltung rund um den Solarpark oder naturschutzfachlich
qualifizierte Projekte zur Unterstützung des natürlichen Klimaschutzes.
Anhang: Thesenpapier in der Fassung vom 31. August 2024
"Vorschläge für Elemente einer kohärenten Klimaschutz- und
Biodiversitätspolitik"
Die Klimakrise und das extremste Artensterben der Erdgeschichte sind die beiden
existentiellen, von Menschen gemachten Krisen unserer Zeit. Bei der Bewältigung
beider Krisen geht es um die Frage, ob und wie Menschen in nicht allzu ferner
Zukunft im einzigen Lebensraum, der ihnen zur Verfügung steht, der Biosphäre der
Erde, leben und überleben wollen.
Wir als Landesarbeitsgemeinschaft Ökologie Schleswig-Holstein stellen hiermit
ein Thesenpapier, abgestimmt mit den LAGen Energie und Landwirtschaft, als
möglichen Baustein für eine Lösung zur Diskussion.
Kommunikation:
Wir retten mit Klimaschutz sowie Natur- und Artenschutz weder die Erde, den
Planeten noch „die Natur“, sondern es geht um nichts weniger als den Erhalt der
Lebensgrundlagen für uns Menschen. Exakt das muss in einer Kommunikation zum
Ausdruck kommen, die dem Ernst der Entwicklung gerecht wird, nicht in
blockierende Katastrophenstimmung verfällt und Hoffnung auf Lösungen eröffnet.
Knapp, knackig und viral tauglich.
Sicherheit:
Weniges wird in den kommenden Jahrzehnten zu einem größeren Sicherheitsrisiko
als die Klimakrise, das Zusammenbrechen ganzer Ökosysteme und die zunehmende
Unbewohnbarkeit von Teilen der Erdoberfläche.
Einige der Sicherheitsrisiken:
- Wachsende Migration. UN: ca. 500 Millionen um 2050, weiter steigend
- Trinkwasser.
- Extremwetter
- Temperaturen jenseits 50 °C
- Überschwemmungen
- Extreme Trockenheit
- Stürme und Starkregen
- Kriege und lokale Konflikte um Wasser, Lebensraum, elementare Ressourcen
Wer Sicherheit als kritischen Faktor für das Leben der Menschen in Freiheit
erkennt, muss Klimaschutz und den Erhalt der Lebensbedingungen für Menschen als
kritische Faktoren ernst nehmen.
Grundlegende Norm
„Natürlicher Klimaschutz“ und die „Ausweisung neuer Gebiete zum Schutz der
Biodiversität“ müssen im „überragenden öffentlichen Interesse“ stehen und der
öffentlichen Gesundheit und Sicherheit dienen.
Daher muss eine dem §2 EEG vergleichbare Norm ins Bundesnaturschutzgesetz (BNG)
aufgenommen werden.
Beschleunigte Verfahren
Die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen (WKA), PV-
Solaranlagen und die erforderlichen Netzinfrastrukturen ist zwingend. Sie ist
rational nur möglich, wenn in den Beschleunigungsgebieten (außerhalb von
Schutzgebieten wie Natura2000, NSG, Nationalpark) zukünftig auf Einzelfall-
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) verzichtet wird und zu pauschalisierten
Genehmigungen übergegangen wird. Daher soll es in den Beschleunigungsgebieten
künftig keine Einzelfallprüfungen für Anlagen mehr geben, sondern die
Zulässigkeit wird dort nach Aktenlage entschieden. Die Dauer der Verfahren ist
zeitlich begrenzt. Wird die Verfahrenshöchstdauer überschritten, gelten Anträge
als genehmigt.
Aus Sicht des Natur- und Artenschutzes kann dies nur mitgetragen werden, wenn
auch die Verfahren im Natur- und Artenschutz beschleunigt werden, hierdurch
Arten, Lebens- und Naturräume wirksam geschützt werden und dieser Schutz auch
durchgesetzt wird.
Eine Grundvoraussetzung für die Planungsbeschleunigung ist jedoch eine
Verbesserung der personellen und ggfls. finanziellen Ausstattung der zuständigen
Genehmigungsbehörden.
Zusätzlich ist eine Verbesserung der ökologischen Datenlage erforderlich, um
Anträge auf Genehmigungen besser und faktenbasiert bewerten zu können. Eine
verbesserte Beschaffung von Daten kann sowohl durch eine bessere Ausstattung der
Behörden ermöglicht werden als auch in einer Zusammenarbeit mit Citizen-Science-
Projekten, die auf ehrenamtlicher Basis Daten sammeln und zur Verfügung stellen
können.
Flächen
Durch die Umsetzung von RED III in nationales Recht werden für die Flächen in
den Beschleunigungsgebieten ungefragt die rechtlichen Möglichkeiten geschaffen,
dass auf ihnen WKA oder PV-Freiflächenanlagen errichtet werden können.
Zieht ein Flächeneigentümer ein so gegebenes Recht, indem er Windkraft- oder PV-
Anlagen auf seinen Flächen beantragt, ist die Genehmigung zu erteilen, nachdem
der Antragsteller einen städtebauliche Vertrag nach §12 BauGB unterschrieben
hat. In diesem verpflichtet er sich, einen jährlichen Betrag, der in einer zu
seinen Pachterlösen angemessenen Höhe steht, in einen Fonds zum Ankauf und
Unterhalt von Flächen für den Natur- und Artenschutz einzuzahlen. Auf diese
Weise kann „pauschalisiert“ der Natur und Artenschutz gestärkt und neue
wertvolle Naturflächen können dauerhaft gesichert werden.
Das vorgeschlagene Verfahren bietet für alle Stakeholder Vorteile und
angemessene Pflichten. Eine befürchtete verzögernde Wirkung für den Ausbau der
Erneuerbaren Energien (EE) kann durch die Fonds-Lösung vermieden werden. Die
genaue rechtliche Konstruktion ist dabei nicht entscheidend, zu diesem Vorschlag
wirkungsgleiche Mechanismen wären ebenfalls angemessen.
Vorranggebiete für den Natur- und Artenschutz
Ebenso wie für den Ausbau der erneuerbaren Energien muss es gemäß dem von
Deutschland unterzeichneten Abkommen von Montreal Vorranggebiete für den Natur-
und Artenschutz geben.
Zu den Vorranggebieten für den Natur- und Artenschutz müssen für Schleswig-
Holstein exemplarisch die in der Biodiversitätsstrategie des Landes
ausgezeichneten Flächen für die Biodiversität und den Biotopverbund zählen.
Für Flächen in den Vorranggebieten für den Natur- und Artenschutz müssen die
Möglichkeiten des Aufkaufs von Flächen für den Natur- und Artenschutz durch eine
Ausweitung des Vorkaufsrechts für den Biodiversitäts- und Naturschutz deutlich
erleichtert werden.
Der Fonds steht für den Ankauf, den Unterhalt und die ökologische Aufwertung von
Flächen in den Vorranggebieten für den Natur- und Artenschutz zur Verfügung.
Flächen, bei denen ein Vorkaufsrecht für den Natur/Artenschutz greifen sollte,
können zum Beispiel durch die „Hotspots der Biologischen Vielfalt im Rahmen des
Bundesprogramms Biologische Vielfalt“ definiert werden oder entlang der
Verbindungsachsen, die vom BfN 2013 in „Geeignete Flächen und Verbindungsachsen
für ein länderübergreifendes Biotopverbundsystem“ sowie im Landes-
Biotopverbundsystem definiert worden sind.
Ansatz 1:
Es wird ein Bundesweiter Fonds eingerichtet und verwaltet. Aus diesem können
verschiedene Akteure Geld beantragen für konkrete Umsetzungen, die dem
Naturschutz/Artenschutz zu Gute kommen, z.B. Anstalten öffentlichen Rechtes wie
Stiftung Naturschutz SH oder Landesforsten für Ankauf von Flächen,
Naturschutzvereine für Unterhaltungs-/ Pflegemaßnahmen, Kommunen und deren UNB,
Bildungsprojekte für Schulen, …
Die Betreuung obliegt dem Bund.
Ansatz 2:
Jedes Bundesland oder Verbünde eng benachbarter Bundesländer (z. B. Hamburg mit
Schleswig-Holstein, Bremen mit Niedersachsen) unterhalten einen eignen Fonds, in
den nur lokal eingezahlt und ausgezahlt wird unter denselben Kriterien wie oben.
Betreuung obliegt den Ländern.
Zusatzidee:
Einen Extra-Fonds einrichten, der nur für Vertrags-Naturschutzmaßnahmen
angewendet wird. Speziell für Privatleute/Leute aus der Landwirtschaft, die ihre
Flächen nicht verkaufen wollen und somit wieder Sympathie generieren für den
Naturschutz als Partner und weniger als Flächenkonkurrent.
Doppelnutzung von Flächen für den Natur- und Artenschutz sowie für den Ausbau
der erneuerbaren Energien
Für Gebiete, in denen sich der Vorrang für den Ausbau der erneuerbaren Energien
mit dem Vorrang für den Natur- und Artenschutz schneiden, sind einerseits
Kriterien für eine fachliche Abwägung der Entscheidung zu entwickeln,
andererseits Konzepte für eine Doppelnutzung von Flächen sowohl für den Natur-
und Artenschutz als auch für den Ausbau der Windkraft oder der Freiflächen
Photovoltaik. Beide Nutzungsarten müssen nicht im Konflikt zueinander stehen.
Verkehrswegesicherungspflicht
Kommunale Akteure schrecken vor dem Erwerb von Flächen für den Natur- und
Artenschutz zurück, da sie, mit Ausnahme von Waldflächen, in diesen Flächen dann
einer umfassenden Verkehrswegesicherungspflicht mit unbeschränkter Haftung
nachkommen müssen.
Die Verkehrswegesicherungspflicht und somit auch die Frage der
Haftungsbeschränkung sind heute gesetzlich nicht geregelt. Lediglich für
Waldflächen besteht das sogenannte „Jedermannrecht“. Nach §14 Bundeswaldgesetz
kann ein Wald auf eigene Gefahr betreten werden. Damit besteht in Waldflächen
keine Verkehrswegesicherungspflicht außerhalb ausgewiesener Straßen und Wege.
Eine vergleichbare rechtliche Regelung für Flächen des Natur- und Klimaschutzes
fehlt und müsste dringend aufgenommen werden.
Kombinutzung von Flächen
Kombinutzungen können den Druck auf die verfügbaren Flächen senken. Die DIN SPEC
für Agrar-PV und das Innovationssegment in den Ausschreibungen für PV-
Freiflächenanlagen sind ein erster Schritt in die richtige Richtung. Der Bund
sollte in einem nächsten Schritt eine DIN SPEC und ein eigenes
Ausschreibungssegment für Biodiversitäts-PV-Anlagen außerhalb von Schutzgebieten
definieren. Dies kann unterschiedliche Nutzungsformen beinhalten: z.B.
Biodiversität und extensive Agri-PV, eine umfassende Lebensraumgestaltung rund
um den Solarpark oder naturschutzfachlich qualifizierte Projekte zur
Unterstützung des natürlichen Klimaschutzes.
Fazit
Die Biodiversitätskrise muss zusammen mit dem Klimaschutz gelöst werden.
Parallel zur Definition von Beschleunigungsgebieten, in denen der Aufbau von
Erneuerbare-Energie-Anlagen pauschalisiert genehmigt wird, müssen
Beschleunigungsgebiete für den Natur- und Artenschutz definiert werden. Dies
dient auch der Umsetzung des Nature Restoration Law.
Nutzungsrechte an Flächen sollten nur in Kombination mit Pflichten vergeben
werden, die analog zu Städtebaulichen Verträgen ausgehandelt werden. Zum
Beispiel könnten Flächeneigentümer zur Einzahlung in einen Fonds zum Ankauf von
Flächen für den Natur- und Artenschutz verpflichtet werden.
Mitwirkende der LAG Ökologie SH
Ocean Renner
Marilla Meier
Sina Clorius
Christof Martin
Mathias Schmitz
Markus Winkler
Für die LAG Energie SH
Luca Brunsch
Unterstützer*innen
- Mathias Schmitz (KV Pinneberg)
- Gerd Weichelt (KV Dithmarschen)
- Hanno Michel (KV Kiel)
- Markus Winkler (KV Schleswig-Flensburg)
- Katrin Stange (KV Pinneberg)
- Tobias Goldschmidt (KV Plön)
- Marilla Meier (KV Lübeck)
- Said Ettejjari (KV Segeberg)
- Christof Martin (KV Rendsburg-Eckernförde)
- Sabine Loof (KV Pinneberg)
- Jan Kürschner (KV Kiel)
- Ulrike Täck (KV Segeberg)
- Hildegard Bedarff (KV Pinneberg)
Fehler:Nur zugelassene Gruppen können Anträge unterstützen.
Von Zeile 18 bis 20:
öffentliche Sicherheit setzen wir uns für die Beschleunigung von GenehmigungsverfahrenVerfahren im Natur- und Artenschutz ein, wie sie auch beim Ausbau von Windenergieanlagen vorgesehen ist. Um wirksamen Artenschutz umzusetzen,
Die Klimakrise und die Biodiversitätskrise sind die zentralen Herausforderungen
unserer Zeit. Angesichts von immer häufiger auftretenden Extremwetterereignissen
wie Starkregen, Dürreereignissen, Stürmen und Überschwemmungen sowie der
Bedrohung ganzer Ökosysteme ist die politische Antwort auf beide Krisen eine
Frage unserer eigenen Sicherheit. Als politische Partei und politisch
Verantwortliche sehen wir uns in der Verpflichtung, die Sicherheit der Menschen,
für die wir Verantwortung tragen, umfassend zu gewährleisten.
Wir konnten dieses Jahr anhand von Überschwemmungen in großen Teilen
Süddeutschlands und zahlreichen Extremwetterereignissen weltweit erneut sehen,
wie präsent und akut die Klimakrise ist. Um der Klimakrise wirksam
entgegenzutreten, brauchen wir nicht nur den klimaneutralen Umbau der
Wirtschaft, Energie-, Wärme- und Verkehrsinfrastruktur, sondern auch Maßnahmen
des natürlichen Klimaschutzes und der Klimaanpassung.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein setzen sich mit folgenden 12-Punkte
Plan für eine echte Offensive für den Natur- und Artenschutz und eine wirksame
Klimaschutzpolitik ein.
1) Aufgrund der enormen Relevanz des Natur- und Artenschutzes für die
öffentliche Sicherheit setzen wir uns für die Beschleunigung von GenehmigungsverfahrenVerfahren im Natur- und Artenschutz ein, wie sie auch beim Ausbau
von Windenergieanlagen vorgesehen ist. Um wirksamen Artenschutz umzusetzen,
streben wir eine Verbesserung der Ausstattung von zuständigen Behörden sowie der
Datengrundlage an.
1a) Wir wollen, dass die Artenvielfalt als Schutzgut in die Schleswig-
Holsteinische Landesverfassung aufgenommen wird, um dem Schutz der Biodiversität
in den Entscheidungen der Behörden und Gerichte deutlich mehr Gewicht zu geben.
Damit würde der verfassungsrechtliche Schutz auf alle Lebensformen erweitert und
die biologische Vielfalt an sich einschließlich der Vielfalt der Lebensräume
geschützt.
2) Für eine wirksame Klimaschutzpolitik ist es notwendig, dass die erneuerbaren
Energien beschleunigt ausgebaut werden. Wir begrüßen daher, dass dem Ausbau der
Erneuerbaren Energien in §2 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ein
„überragendes öffentliches Interesse“ eingeräumt wurde. Dies wird unter anderem
damit begründet, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien der öffentlichen
Sicherheit dient. Genauso gilt für uns, dass der Erhalt unserer Lebensgrundlagen
im Rahmen der Ausweisung von Gebieten für den Natur- und Artenschutz und des
natürlichen Klimaschutzes eine zentrale Frage der öffentlichen Sicherheit ist.
Deshalb setzen wir Grüne uns für eine Erweiterung des Bundesnaturschutzgesetzes
um eine dem §2 EEG entsprechende Norm ein, mit der dem ökosystembezogenen Natur-
, Arten- und Klimaschutz ebenfalls überragendes öffentliches Interesse
eingeräumt wird.
3) Für wirksamen flächengebundenen Natur- und Artenschutz braucht es ausreichend
naturräumlich wertvolle Flächen, die anderen Nutzungen nicht offenstehen.
Deshalb setzen wir uns für die Einrichtung eines bundes- oder landesweiten Fonds
zum Ankauf und Unterhalt von Flächen für den Natur- und Artenschutz ein, in den
Ausgleichsgelder eingezahlt werden können. Gleichzeitig sollte auch das
Vorkaufsrecht als Möglichkeit des Erwerbs neuer Flächen für den Natur- und
Artenschutz gestärkt werden.
4) Wir setzen uns für eine Neuregelung der Verkehrswegesicherungspflicht für
Natur- und Artenschutzflächen nach dem Vorbild von § 14 Bundeswaldgesetz ein, um
Hürden für kommunale Akteur*innen beim Natur- und Artenschutz abzubauen.
5) Kombinutzungen können den Druck auf die verfügbaren Flächen senken. Die DIN
SPEC für Agrar-PV und das Innovationssegment in den Ausschreibungen für PV-
Freiflächenanlagen außerhalb von Schutzgebieten sind ein erster Schritt in die
richtige Richtung. Wir setzen uns im Bund dafür ein, in einem nächsten Schritt
eine DIN SPEC und ein eigenes Ausschreibungssegment für Biodiv-PV-Anlagen in den
Beschleunigungsgebieten zu definieren. Dies kann unterschiedliche Nutzungsformen
beinhalten: z.B. Biodiv und extensive Agri-PV, eine umfassende
Lebensraumgestaltung rund um den Solarpark oder naturschutzfachlich
qualifizierte Projekte zur Unterstützung des natürlichen Klimaschutzes.
Anhang: Thesenpapier in der Fassung vom 31. August 2024
"Vorschläge für Elemente einer kohärenten Klimaschutz- und
Biodiversitätspolitik"
Die Klimakrise und das extremste Artensterben der Erdgeschichte sind die beiden
existentiellen, von Menschen gemachten Krisen unserer Zeit. Bei der Bewältigung
beider Krisen geht es um die Frage, ob und wie Menschen in nicht allzu ferner
Zukunft im einzigen Lebensraum, der ihnen zur Verfügung steht, der Biosphäre der
Erde, leben und überleben wollen.
Wir als Landesarbeitsgemeinschaft Ökologie Schleswig-Holstein stellen hiermit
ein Thesenpapier, abgestimmt mit den LAGen Energie und Landwirtschaft, als
möglichen Baustein für eine Lösung zur Diskussion.
Kommunikation:
Wir retten mit Klimaschutz sowie Natur- und Artenschutz weder die Erde, den
Planeten noch „die Natur“, sondern es geht um nichts weniger als den Erhalt der
Lebensgrundlagen für uns Menschen. Exakt das muss in einer Kommunikation zum
Ausdruck kommen, die dem Ernst der Entwicklung gerecht wird, nicht in
blockierende Katastrophenstimmung verfällt und Hoffnung auf Lösungen eröffnet.
Knapp, knackig und viral tauglich.
Sicherheit:
Weniges wird in den kommenden Jahrzehnten zu einem größeren Sicherheitsrisiko
als die Klimakrise, das Zusammenbrechen ganzer Ökosysteme und die zunehmende
Unbewohnbarkeit von Teilen der Erdoberfläche.
Einige der Sicherheitsrisiken:
- Wachsende Migration. UN: ca. 500 Millionen um 2050, weiter steigend
- Trinkwasser.
- Extremwetter
- Temperaturen jenseits 50 °C
- Überschwemmungen
- Extreme Trockenheit
- Stürme und Starkregen
- Kriege und lokale Konflikte um Wasser, Lebensraum, elementare Ressourcen
Wer Sicherheit als kritischen Faktor für das Leben der Menschen in Freiheit
erkennt, muss Klimaschutz und den Erhalt der Lebensbedingungen für Menschen als
kritische Faktoren ernst nehmen.
Grundlegende Norm
„Natürlicher Klimaschutz“ und die „Ausweisung neuer Gebiete zum Schutz der
Biodiversität“ müssen im „überragenden öffentlichen Interesse“ stehen und der
öffentlichen Gesundheit und Sicherheit dienen.
Daher muss eine dem §2 EEG vergleichbare Norm ins Bundesnaturschutzgesetz (BNG)
aufgenommen werden.
Beschleunigte Verfahren
Die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen (WKA), PV-
Solaranlagen und die erforderlichen Netzinfrastrukturen ist zwingend. Sie ist
rational nur möglich, wenn in den Beschleunigungsgebieten (außerhalb von
Schutzgebieten wie Natura2000, NSG, Nationalpark) zukünftig auf Einzelfall-
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) verzichtet wird und zu pauschalisierten
Genehmigungen übergegangen wird. Daher soll es in den Beschleunigungsgebieten
künftig keine Einzelfallprüfungen für Anlagen mehr geben, sondern die
Zulässigkeit wird dort nach Aktenlage entschieden. Die Dauer der Verfahren ist
zeitlich begrenzt. Wird die Verfahrenshöchstdauer überschritten, gelten Anträge
als genehmigt.
Aus Sicht des Natur- und Artenschutzes kann dies nur mitgetragen werden, wenn
auch die Verfahren im Natur- und Artenschutz beschleunigt werden, hierdurch
Arten, Lebens- und Naturräume wirksam geschützt werden und dieser Schutz auch
durchgesetzt wird.
Eine Grundvoraussetzung für die Planungsbeschleunigung ist jedoch eine
Verbesserung der personellen und ggfls. finanziellen Ausstattung der zuständigen
Genehmigungsbehörden.
Zusätzlich ist eine Verbesserung der ökologischen Datenlage erforderlich, um
Anträge auf Genehmigungen besser und faktenbasiert bewerten zu können. Eine
verbesserte Beschaffung von Daten kann sowohl durch eine bessere Ausstattung der
Behörden ermöglicht werden als auch in einer Zusammenarbeit mit Citizen-Science-
Projekten, die auf ehrenamtlicher Basis Daten sammeln und zur Verfügung stellen
können.
Flächen
Durch die Umsetzung von RED III in nationales Recht werden für die Flächen in
den Beschleunigungsgebieten ungefragt die rechtlichen Möglichkeiten geschaffen,
dass auf ihnen WKA oder PV-Freiflächenanlagen errichtet werden können.
Zieht ein Flächeneigentümer ein so gegebenes Recht, indem er Windkraft- oder PV-
Anlagen auf seinen Flächen beantragt, ist die Genehmigung zu erteilen, nachdem
der Antragsteller einen städtebauliche Vertrag nach §12 BauGB unterschrieben
hat. In diesem verpflichtet er sich, einen jährlichen Betrag, der in einer zu
seinen Pachterlösen angemessenen Höhe steht, in einen Fonds zum Ankauf und
Unterhalt von Flächen für den Natur- und Artenschutz einzuzahlen. Auf diese
Weise kann „pauschalisiert“ der Natur und Artenschutz gestärkt und neue
wertvolle Naturflächen können dauerhaft gesichert werden.
Das vorgeschlagene Verfahren bietet für alle Stakeholder Vorteile und
angemessene Pflichten. Eine befürchtete verzögernde Wirkung für den Ausbau der
Erneuerbaren Energien (EE) kann durch die Fonds-Lösung vermieden werden. Die
genaue rechtliche Konstruktion ist dabei nicht entscheidend, zu diesem Vorschlag
wirkungsgleiche Mechanismen wären ebenfalls angemessen.
Vorranggebiete für den Natur- und Artenschutz
Ebenso wie für den Ausbau der erneuerbaren Energien muss es gemäß dem von
Deutschland unterzeichneten Abkommen von Montreal Vorranggebiete für den Natur-
und Artenschutz geben.
Zu den Vorranggebieten für den Natur- und Artenschutz müssen für Schleswig-
Holstein exemplarisch die in der Biodiversitätsstrategie des Landes
ausgezeichneten Flächen für die Biodiversität und den Biotopverbund zählen.
Für Flächen in den Vorranggebieten für den Natur- und Artenschutz müssen die
Möglichkeiten des Aufkaufs von Flächen für den Natur- und Artenschutz durch eine
Ausweitung des Vorkaufsrechts für den Biodiversitäts- und Naturschutz deutlich
erleichtert werden.
Der Fonds steht für den Ankauf, den Unterhalt und die ökologische Aufwertung von
Flächen in den Vorranggebieten für den Natur- und Artenschutz zur Verfügung.
Flächen, bei denen ein Vorkaufsrecht für den Natur/Artenschutz greifen sollte,
können zum Beispiel durch die „Hotspots der Biologischen Vielfalt im Rahmen des
Bundesprogramms Biologische Vielfalt“ definiert werden oder entlang der
Verbindungsachsen, die vom BfN 2013 in „Geeignete Flächen und Verbindungsachsen
für ein länderübergreifendes Biotopverbundsystem“ sowie im Landes-
Biotopverbundsystem definiert worden sind.
Ansatz 1:
Es wird ein Bundesweiter Fonds eingerichtet und verwaltet. Aus diesem können
verschiedene Akteure Geld beantragen für konkrete Umsetzungen, die dem
Naturschutz/Artenschutz zu Gute kommen, z.B. Anstalten öffentlichen Rechtes wie
Stiftung Naturschutz SH oder Landesforsten für Ankauf von Flächen,
Naturschutzvereine für Unterhaltungs-/ Pflegemaßnahmen, Kommunen und deren UNB,
Bildungsprojekte für Schulen, …
Die Betreuung obliegt dem Bund.
Ansatz 2:
Jedes Bundesland oder Verbünde eng benachbarter Bundesländer (z. B. Hamburg mit
Schleswig-Holstein, Bremen mit Niedersachsen) unterhalten einen eignen Fonds, in
den nur lokal eingezahlt und ausgezahlt wird unter denselben Kriterien wie oben.
Betreuung obliegt den Ländern.
Zusatzidee:
Einen Extra-Fonds einrichten, der nur für Vertrags-Naturschutzmaßnahmen
angewendet wird. Speziell für Privatleute/Leute aus der Landwirtschaft, die ihre
Flächen nicht verkaufen wollen und somit wieder Sympathie generieren für den
Naturschutz als Partner und weniger als Flächenkonkurrent.
Doppelnutzung von Flächen für den Natur- und Artenschutz sowie für den Ausbau
der erneuerbaren Energien
Für Gebiete, in denen sich der Vorrang für den Ausbau der erneuerbaren Energien
mit dem Vorrang für den Natur- und Artenschutz schneiden, sind einerseits
Kriterien für eine fachliche Abwägung der Entscheidung zu entwickeln,
andererseits Konzepte für eine Doppelnutzung von Flächen sowohl für den Natur-
und Artenschutz als auch für den Ausbau der Windkraft oder der Freiflächen
Photovoltaik. Beide Nutzungsarten müssen nicht im Konflikt zueinander stehen.
Verkehrswegesicherungspflicht
Kommunale Akteure schrecken vor dem Erwerb von Flächen für den Natur- und
Artenschutz zurück, da sie, mit Ausnahme von Waldflächen, in diesen Flächen dann
einer umfassenden Verkehrswegesicherungspflicht mit unbeschränkter Haftung
nachkommen müssen.
Die Verkehrswegesicherungspflicht und somit auch die Frage der
Haftungsbeschränkung sind heute gesetzlich nicht geregelt. Lediglich für
Waldflächen besteht das sogenannte „Jedermannrecht“. Nach §14 Bundeswaldgesetz
kann ein Wald auf eigene Gefahr betreten werden. Damit besteht in Waldflächen
keine Verkehrswegesicherungspflicht außerhalb ausgewiesener Straßen und Wege.
Eine vergleichbare rechtliche Regelung für Flächen des Natur- und Klimaschutzes
fehlt und müsste dringend aufgenommen werden.
Kombinutzung von Flächen
Kombinutzungen können den Druck auf die verfügbaren Flächen senken. Die DIN SPEC
für Agrar-PV und das Innovationssegment in den Ausschreibungen für PV-
Freiflächenanlagen sind ein erster Schritt in die richtige Richtung. Der Bund
sollte in einem nächsten Schritt eine DIN SPEC und ein eigenes
Ausschreibungssegment für Biodiversitäts-PV-Anlagen außerhalb von Schutzgebieten
definieren. Dies kann unterschiedliche Nutzungsformen beinhalten: z.B.
Biodiversität und extensive Agri-PV, eine umfassende Lebensraumgestaltung rund
um den Solarpark oder naturschutzfachlich qualifizierte Projekte zur
Unterstützung des natürlichen Klimaschutzes.
Fazit
Die Biodiversitätskrise muss zusammen mit dem Klimaschutz gelöst werden.
Parallel zur Definition von Beschleunigungsgebieten, in denen der Aufbau von
Erneuerbare-Energie-Anlagen pauschalisiert genehmigt wird, müssen
Beschleunigungsgebiete für den Natur- und Artenschutz definiert werden. Dies
dient auch der Umsetzung des Nature Restoration Law.
Nutzungsrechte an Flächen sollten nur in Kombination mit Pflichten vergeben
werden, die analog zu Städtebaulichen Verträgen ausgehandelt werden. Zum
Beispiel könnten Flächeneigentümer zur Einzahlung in einen Fonds zum Ankauf von
Flächen für den Natur- und Artenschutz verpflichtet werden.
Mitwirkende der LAG Ökologie SH
Ocean Renner
Marilla Meier
Sina Clorius
Christof Martin
Mathias Schmitz
Markus Winkler
Für die LAG Energie SH
Luca Brunsch
Unterstützer*innen
- Mathias Schmitz (KV Pinneberg)
- Gerd Weichelt (KV Dithmarschen)
- Hanno Michel (KV Kiel)
- Markus Winkler (KV Schleswig-Flensburg)
- Katrin Stange (KV Pinneberg)
- Tobias Goldschmidt (KV Plön)
- Marilla Meier (KV Lübeck)
- Said Ettejjari (KV Segeberg)
- Christof Martin (KV Rendsburg-Eckernförde)
- Sabine Loof (KV Pinneberg)
- Jan Kürschner (KV Kiel)
- Ulrike Täck (KV Segeberg)
- Hildegard Bedarff (KV Pinneberg)